Guerilla an der Uni

In Kolumbien versucht eine Guerilla-Gruppe, auf dem Campus zu rekrutieren. Bei PolitikerInnen sorgt das für Aufregung. Von Elke Hofmann

Ungefähr 600 Studierende haben sich auf dem Campus der Universität Distrital Francisco José de Caldas in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, zur Begrüßungsveranstaltung für Erstsemester versammelt. Zunächst erklären MitarbeiterInnen den Neuzugängen Struktur und akademische Ausrichtung der Universität. Schließlich erscheinen fünfzehn schwarz gekleidete, vermummte Gestalten auf dem Platz. Einer von ihnen greift zum Mikrofon. Fast zehn Minuten lang hält er eine Rede, fordert die Erstsemester auf, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, und sich genau so für die Universität zu engagieren wie es die maskierten Mitglieder der Gruppe auch täten. Bevor die Vermummten sich im Laufschritt vom Campus entfernen, erinnern sie mit Schlachtrufen an zwei getötete Funktionäre der marxistischen Guerillagruppe «Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens« (FARC). Die Studierenden, die ihnen mit einer Mischung aus Neugier und Distanz zugehört haben, zögern kurz, dann applaudieren sie.

Der Auftritt von Mitgliedern der FARC-nahen Rebellengruppe Movimiento Juvenil Bolivariano (MJB) im März dieses Jahres an einer der Universitäten in Bogotá hat in Kolumbien für viel Aufregung gesorgt. Seit Monaten kursiert ein Video dieser und anderer Aktionen der Gruppe auf der Internetplattform YouTube. Als die kolumbianische Senatorin Gina Parody auf die Videos aufmerksam wurde, führte sie dieses im Kongress vor und löste damit eine anhaltende Debatte aus. Für Parody sind Auftritte FARC-naher Organisationen an der Universität nicht tolerierbar. Sie will, dass die Stadtverwaltung in Bogotá entschiedener dagegen vorgeht. »Die FARC infiltriert die öffentlichen und privaten Universitäten Bogotás und rekrutiert junge Leute«, sagt sie. Besonders die Tatsache, dass die RednerInnen bei ihrem Auftritt vermummt waren, ist Parody ein Dorn im Auge. »Sie können gerne protestieren, aber ohne Kapuze.«

In die Kritik geriet auch der Universitätsdirektor Carlos Ossa, der die Ansprache der AktivistInnen duldete. Ossa habe wohl unter dem Einfluss von Marihuana gestanden, als er die Ansprache der MJB an seiner Universität zuließ, stichelte der Kongressabgeordnete Roy Barreras. Ossa kann die Aufregung um die veröffentlichten Videos und sein Verhalten aber nicht verstehen. Für ihn ist der Auftritt der MJB legitim, da die Gruppe in friedlicher Weise aufgetreten sei und niemanden angegriffen oder unter Druck gesetzt habe. »Die Universität war schon immer der Platz für die freie Äußerung von Gedanken. Sie kann dieses Grundrecht nicht verbieten«, so Ossa. Er befürchtet, dass politisch engagierte Studierende durch härtere Maßnahmen stigmatisiert, ihre Möglichkeiten zum Protest eingeschränkt werden könnten. Diese Auffassung teilt auch der kolumbianische Doktorand Andrés Otalvaro. Er hat in Bogotá studiert und promoviert zurzeit an der Uni Köln in Politikwissenschaften. »Es gibt viel Protest der Linken an den kolumbianischen Unis«, sagt Otalvaro, »aber nur die wenigsten davon haben eine Verbindung zur FARC. Die Regierung stigmatisiert und dämonisiert aber alles, was von der Linken kommt.«

Ob Aktionen wie die in der Universität Distrital der FARC tatsächlich neuen Zulauf verschaffen, ist fraglich. Alfredo Rangel, Direktor der Stiftung »Sicherheit und Demokratie« bezweifelt das. »Es ist klar, dass diese Infiltrationen existieren und nicht toleriert werden dürfen. Aber sie sind eine absolute Randerscheinung und haben keine Aussicht auf Erfolg.«