Geil auf Gewalt

Michael Haneke hat ein amerikanisches Remake seines Psychothrillers Funny Games aus dem Jahr 1997 inszeniert. Von Thomas Hemsley

Aus der Vogelperspektive sieht man ein Auto die Landstraße entlang fahren. Der Blickwinkel verdeutlicht die intellektuelle und moralische Überlegenheit, in der sich der Regisseur wähnt. Denn nach Michael Hanekes Bekunden wollte er sich schon mit dem österreichischen Original seines Films eigentlich an amerikanische Gewaltkonsumenten richten, deren Umgang mit Gewalt er zynisch und naiv findet.

Die dreiköpfige Familie Farber macht Urlaub in ihrem Ferienhaus am See. Die Idylle wird jäh zerstört, als zwei junge Männer, die sich wahlweise Tom und Jerry oder Beavis und Butthead nennen, die Familie in Geiselhaft nehmen. Sie quälen die Familienmitglieder und beabsichtigen, sie schlussendlich zu töten. Ab und an richtet sich einer der beiden Männer an das Kinopublikum, um es in sein perfides Spiel miteinzubeziehen.

Wer findet, das klinge nach einer 112 Minuten langen Variation der »Viddy well«-Sequenz aus Kubricks Klassiker Uhrwerk Orange, wird bitter enttäuscht, denn ein Mehr an Filmlänge ist in diesem Fall leider kein Mehr an Intensität, hintergründigem Witz oder Erkenntnisgewinn.

Interessiert man sich für amerikanische Kultur, ihre gewalttätigen Genrefilme, das Exploitation-Kino und die Pulpliteratur, wird man feststellen, dass die AmerikanerInnen ihre Befindlichkeiten besser verstehen als der Alpenintellektuelle Michael Haneke. Die ein Jahr vor dem Original erschienene Slashersatire Scream etwa ist intelligenter und unterhaltsamer als dieses Machwerk, das als Horrorfilm zu unspannend, als Kammerspiel zu nuancenschwach und als Medienreflexion schlicht zu altbacken ist.

Dass man Gewalt in Filmen nämlich primitiv gesagt geil finden kann, ohne zynisch, amoralisch, dumm oder gewalttätig zu sein, scheint Haneke nicht in den Sinn zu kommen. Und dass die EuropäerInnen den AmerikanerInnen da seit Jahrtausenden in nichts nachstehen, erst recht nicht.