Gegen das Alleinsein

Der Dokumentarfilm The Cemetery Club porträtiert die Shoah-Generation. Von Volker Elste

Immer wieder muss die Trillerpfeife sie zur Ordnung rufen. Die Mitglieder der Jerusalemer »Mount Herzl Academy« debattieren einfach zu heftig über philosophische und zeitgeschichtliche Fragen sowie ihre Erinnerungen als Überlebende der Shoah. Nur zwei Themen stehen laut Satzung der »Akademie« jeden Samstag auf der Tagesordnung. In dem Regelwerk ist auch der eigentliche Zweck der Treffen festgeschrieben: der Erhalt der geistigen Frische und der Kampf gegen die Vereinsamung im Alter.

Für ihren Dokumentarfilm The Cemetery Club begleitete Regisseurin Tali Shemesh über fünf Jahre die Gruppe älterer Menschen, die mit Klappstühlen und Picknickkörben einmal pro Woche an den Gräbern des israelischen Nationalfriedhofs auf dem Mount Herzl vorbeidefiliert und im angrenzenden Park zu ihren Treffen zusammenkommt. Im Mittelpunkt des Films stehen Minya, die Großmutter der Regisseurin, sowie deren Schwägerin Lena. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Minya ruhig und ausgeglichen ist, tritt Lena äußerst dominant auf. Die ausführlichen Gespräche der Regisseurin mit ihrer »Tante Lena«, die immer wieder eingeblendet werden, sind die Highlights des Films. Gleich zu Beginn etwa wehrt sich Lena vehement gegen den Titel »The Cemetery Club«. Der Mount Herzl sei weit mehr als eine Begräbnisstätte, und auch die Akademie könne nicht als Friedhofsclub bezeichnet werden. In einer Unterhaltung über die Deportation nach Auschwitz berichtet Lena, wie sie als Neuankömmling von den LagerinsassInnen um Brot angefleht worden sei. Von Magenkrämpfen geschüttelt bittet sie darum, die Kamera abzustellen. Diese filmt jedoch unerbittlich weiter, als sie in der Küche eine Tüte Cracker verschlingt. The Cemetery Club ist ein zugleich humorvolles und trauriges Porträt der Shoah-Generation. Humorvoll, wenn über die Aufnahme von Klappstühlen und Picknickkörben in die Satzung debattiert wird. Traurig hingegen sind nicht nur Lenas Rückblicke auf ihr Leben. Nach drei Todesfällen in den letzten fünf Jahren wird am Ende des Films eine geänderte Satzung beschlossen. Die Akademie trifft sich künftig im Altersheim.