Kotzender Müntefering

Erik Gedeons Theater-Parodie über die Großen Koalition kann nicht überzeugen Von Christina Rietz

Ein fauler Gesundheitskompromiss, eine fiese Mehrwertsteuererhöhung und eine Debatte über die Gesichtsbehaarung von Hartz-IV Empfängern. Die Große Koalition liefert genügend Stoff für eine Satire, die das Absurde im politischen Alltag geißelt. Erik Gedeons Versuch einer Politsatire startete unlängst im Düsseldorfer Schauspielhaus. »Große Koalition - Das Kanzleramt wie es singt und lacht« ist ein Liederabend in bewährter Gedeon-Manier, bei dem sich eine Ansammlung bekannter Schlager und Popsongs um eine recht dünne Geschichte gruppiert, die von überzeugenden SchauspielerInnen vorgetragen wird.

Zwei Parteien, »Die Einen« und »Die Anderen«, schließen unter großer Selbstbeweihräucherung einen Koalitionsvertrag. Dabei wird ganze sechs Mal die gleiche Passage aus der Präambel des echten schwarz-roten Koalitionsvertrags von 2005 vorgetragen. Doch auch im Theater hat der Koalitionsvertrag keine besonders hohe Halbwertszeit, und so stellen sich schnell die ersten Unstimmigkeiten bei den KoalitionärInnen ein. Schon bald erklingt dennoch das erste gemeinsame Lied: »Marmor, Stein und Eisen bricht.« Dabei erinnern die PolitikerInnen entfernt an reale Vorbilder. Eine Angela-Merkel-Kopie mit fliederfarbenem Blazer und watscheligem Gang dient als Kanzlerin der »Einen«. Vizekanzler der »Anderen« ist eine gelungene Parodie auf Franz Müntefering, dessen dominantes Sauerland-R zum Running Gag wird. Die übrigen Parteimitglieder sind nicht eindeutig zuzuordnen. Manchmal stoibern sie herum, bisweilen erinnern sie aber auch an Cem Özdemir oder Guido Westerwelle, auch wenn diese mit der großen Koalition wenig zu tun haben.

Der alltägliche Parteienstreit führt bald dazu, dass sich der Müntefering-Verschnitt erbrechen muss. Der Sitzungssaal wird in Wutanfällen verwüstet, jemand schreibt »Schlampe« über das Haupt der Kanzlerin.

In dieses Chaos platzt die Putzkraft Frau Hoffmann, und mit ihr die Personifikation der gemeinen Wählerin, um deren Gunst die Parteigrandezza natürlich zu buhlen beginnt. Spätestens während der Begattungsattacke der männlichen Parteimitglieder auf die arme Raumpflegerin könnten die anwesenden Studienräte mit den zugehörigen Schulklassen im Auditorium, die sich vielleicht auf etwas subtilere Komik gefreut hatten, den Theaterbesuch bereuen.

Aus dem Thema hätte Gedeon mehr machen können als die permanente Zurschaustellung der üblichen Klischees. Sie fordert Politik- und PolitikerInnenverdrossene nicht zu einer differenzierten, kritischen Sicht der Dinge auf, sondern bestärkt sie eher in ihrer »Die da oben machen doch was sie wollen« - Haltung. Wer eine bissige und intelligente Satire auf Schwarz-Rot erwartet, bekommt stattdessen Vulgärkomik jenseits aktueller Bezüge. Setzt man seine Ansprüche niedriger an, ist der Abend trotzdem eine unterhaltsame Gelegenheit zum Mitklatschen und Mitsingen.