Vom Fliegenwedel zum globalen Krieg: Zwei Bücher über Algerien

Von Volker Elste

Im April 1827 soll es bei einem Empfang in Algier zu einem Eklat zwischen Hussein ben Hassan, dem osmanischen Statthalter in Algier, und dem französischen Konsul Pierre Deval gekommen sein. Der Fliegenwedel von Hussein ist angeblich im Gesicht von Deval gelandet. Die folgenden Aktionen von französischer Seite wurden jedoch nicht mit dem fehlgeleiteten Fliegenwedel begründet, sondern mit dem Wiedererstarken der Piraterie vor der nordafrikanischen Küste. Nach einer kurzen Seeblockade im selben Jahr landeten im Juni 1830 französische Truppen in der Nähe von Algier. Im Juli musste Hussein schließlich vor der Übermacht kapitulieren. Mit dieser Anekdote beginnt der freie Journalist Bernhard Schmid sein Buch Das koloniale Algerien. Bei seiner Darstellung der französischen Kolonialzeit in Algerien konzentriert sich Schmid auf die Entstehung und die Geschichte der unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb der Befreiungsbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nicht alle strebten von Anfang an die Loslösung von Frankreich an. Einige traten zunächst für eine Autonomieregelung mit der Kolonialmacht ein. Erst nach Beginn des Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1954 konnte sich schließlich der Front de libération nationale gegen die anderen Gruppierungen durchsetzen und so die Grundlagen für seinen Führungsanspruch in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit 1962 legen. Die Zeit nach 1962 steht in Schmids Buch Algerien - Frontstaat im globalen Krieg? im Mittelpunkt. Dort geht er in erster Linie auf die Islamisierung des Landes nach dessen Unabhängigkeit ein, die Ende der Achtzigerjahre zu einem jahrelangen Bürgerkrieg führte. Schmid vergleicht in diesem Zusammenhang immer wieder den Islamismus mit dem Faschismus europäischer Prägung. Der Islamismus weist seiner Ansicht nach durch seinen »reaktionär-totalitären« Charakter Parallelen zum Faschismus auf. Einen Hauptunterschied sieht er hingegen in der Bedeutung des Antisemitismus. Dieser sei zwar im Faschismus wichtig, nicht jedoch im Islamismus. Auch wenn man Schmid an diesem letzten Punkt widersprechen kann, sind Algerien - Frontstaat im globalen Krieg? und Das koloniale Algerien lesenswerte Bücher, die durch ihre Faktendichte und Materialfülle bestechen. Zudem geben beide Bücher zusammen einen lückenlosen Überblick über die Geschichte Algeriens zwischen 1830 und der Gegenwart.