Schützen unter Nazi-Verdacht

In einem Schützenverein bei Köln trainieren angeblich Neonazis den Umgang mit Waffen. Als ein Ex-Mitglied Anzeige erstattete, bekam es anonyme Drohungen. Von Julia Groth, Lars Strojny

Marcus Steinmann hat die Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen. Er knetet seine Finger und schaut immer wieder nervös um sich. Der Kölner Student will unerkannt bleiben, auch seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Denn Steinmann will seine ehemaligen Kameraden aus einem Pulheimer Sportschützenverein nicht noch mehr auf sich aufmerksam machen. Seit er aus dem Verein ausgetreten ist und drei Vorstandsmitglieder wegen Volksverhetzung angezeigt hat, hat er etwa zwanzig anonyme Drohanrufe bekommen. Er ist sicher, dass Vereinsmitglieder dahinter stecken.

Was Steinmann vom Vereinsleben berichtet, macht seine Nervosität verständlich. Der nächste »Krieg fürs Vaterland« werde laut Vorstand irgendwann kommen, erzählt er, und man solle dafür vorbereitet sein. Die Europäische Union würde von Juden kontrolliert, Schwarze müsse man aus dem Land werfen oder erschießen.

Als Steinmann im Jahr 2003 in den Sportschützenverein eintrat, wollte der damalige Schüler wissen, wie es ist, mit einer echten Waffe zu schießen. »Sie locken mit Kameradschaft und Zusammenhalt«, sagt er über die Vereinsmitglieder. Insbesondere junge Menschen wolle der Verein damit anlocken. Der Vorstand habe ihm sogar die Aufnahmegebühr in Höhe von 650 Euro erlassen. Heute ist er sicher, dass der hohe Beitrag vor allem als Abschreckung für unliebsame, beispielsweise migrantische, BewerberInnen dienen soll.

Nachdem er einige Zeit regelmäßig zum Schießen gekommen sei, hätten Vereinsmitglieder begonnen, ihn zu internen Versammlungen einzuladen, erzählt er. Als er Anfang 2005 zum ersten Mal zu einer solchen Veranstaltung gegangen sei, habe ihm das die Augen geöffnet.

»Es wurde Informationsmaterial der NPD verteilt und es gab antisemitische und rassistische Hetzreden«, sagt er. Einer der Anwesenden sei ihm als Axel Reitz vorgestellt worden. Reitz ist ein bekannter Neonazi aus dem Kölner Raum, der sich selbst als »Gauleiter Rheinland« bezeichnet. Seit Juli dieses Jahres sitzt er wegen Volksverhetzung im Gefängnis. Er habe sich auf der Veranstaltung dafür bedankt, dass Angehörige der rechtsextremistischen Freien Kameradschaften an den Schießständen des Vereins trainieren dürften, auch ohne Vereinsmitglieder zu sein.

Steinmann zog sich daraufhin nach und nach aus dem Vereinsleben zurück und zeigte schließlich im Sommer dieses Jahres drei Vorstandsmitglieder an. »Wir haben wegen Volksverhetzung ermittelt und das Verfahren an die Staatsanwaltschaft weitergegeben«, bestätigt der Kölner Polizeisprecher Jürgen Göbel. Die Staatsanwaltschaft erhebt erst Anklage, wenn ein ausreichender Tatverdacht festgestellt wurde. Noch laufen die Ermittlungen. Die Beschuldigten dementieren unterdessen die Vorwürfe.

Steinmann hofft, dass es bald zu einem Verfahren gegen die mutmasslichen Neonazis kommt. Trotz der ihm gegenüber geäußerten Mordrohungen will er vor Gericht als Zeuge auftreten, falls es zu einer Anklageerhebung kommt. »Die Aussage werde ich auf jeden Fall machen«, sagt er. »Ich hoffe, dass durch öffentlichen Druck niemand mehr in den Verein eintritt.« Das würde den Verein mehr treffen als eine Geldstrafe.