Schach den Wahlmaschinen

Die automatisierte Abgabe und Auszählung von WählerInnenstimmen ist umstritten. KritikerInnen sehen Gefahren für die Demokratie. Von Lars Strojny

Am 22. Oktober haben die EinwohnerInnen von Cottbus den Sozialdemokraten Frank Szymanski zu ihrem neuen Oberbürgermeister gewählt. Seine Ernennung musste aber zunächst verschoben werden. Der Cottbuser Diplom-Ingenieur Thomas Langen hatte Einspruch gegen die Wahl eingelegt. Die eingesetzten Wahlmaschinen seien nicht manipulationssicher.

Langen berief sich auf Recherchen des Chaos Computer Clubs und der niederländischen Gruppe Wij vertrouwen stemcomputers niet (»Wir misstrauen den Wahlcomputern«). Die BürgerInneninitiative hatte kurz vor den niederländischen Parlamentswahlen im Fernsehen demonstriert, wie einfach sich die auch in Cottbus eingesetzten Wahlmaschinen der Firma Nedap manipulieren lassen, indem man einen Speicherchip austauscht. Zugleich zeigten sie, dass man auf Wahlmaschinen auch Schach spielen kann. Ein Nedap-Entwickler hatte zuvor behauptet, dass es sich bei den Wahlmaschinen nicht um Computer handle, denn Computer könnten ja Schach spielen. Wahlcomputer stehen nicht zum ersten Mal in der Kritik. Schon im Jahr 2000 gab es in den USA Gerüchte, dass Maschinen der Firma Diebold zum Wahlerfolg von George W. Bush beigetragen hätten. Auch bei der Wahl 2004 gab es kritische Stimmen. Der damals im Kampf um einen Parlamentssitz unterlegene Demokrat Jeff Fisher behauptete, in den Bezirken, in denen Wahlmaschinen eingesetzt wurden, sei es zu schweren Unregelmäßigkeiten gekommen. Auf Kritik reagierte die Firma Diebold zuletzt sehr sensibel. Der Konzern überhäufte Studierende des Swarthmore College in Pennsylvania mit Abmahnungen. Sie hatten ein Leck im Firmenserver ausgenutzt und Firmendaten veröffentlicht. Diese Dokumente zeigten, dass selbst MitarbeiterInnen von Diebold Zweifel an dem Produkt hatten. Die BefürworterInnen von Wahlmaschinen begründen ihren Einsatz vor allem mit dem organisatorischen Vorteil, die abgegebenen Stimmen automatisch zählen zu können. KritikerInnen sehen genau hier den Schwachpunkt. Bisher war es für alle Interessierten möglich, der Auszählung der Stimmen beizuwohnen. Dieser wichtige demokratische Grundsatz würde nun untergraben. »Die Sicherheit von Wahlmaschinen ist für die Öffentlichkeit nicht überprüfbar«, so der Informatik-Student Johannes Böck, der sich im Rahmen einer Studienarbeit mit Wahlcomputern auseinandersetzt. Und er geht noch weiter: »Sämtliche Konzepte für elektronische Wahlen, die im Moment vorliegen, haben Mängel und bieten keine vergleichbare Sicherheit wie die Papierwahl.« Mit einer Online-Petition versuchen KritikerInnen nun, den Paragrafen, der die Stimmabgabe mit Wahlgeräten gestattet, ersatzlos aus dem Bundeswahlgesetz zu streichen. In Cottbus wurde Szymanski inzwischen doch zum Bürgermeister ernannt. Laut Wahlprüfungsausschuss seien die Zweifel unbegründet und enthielten Formfehler.