Kein Herz für Ratten und Läuse

Kölner BürgerInnen können nicht behaupten, die Stadt unternehme nichts gegen Ratten auf den Straßen. Denn für diese und andere Aufgaben im Hygienebereich gibt es die städtische Desinfektionsanstalt. Von Julia Groth

Der Pfeil mit der Aufschrift »Desinfektionsanstalt der Stadt Köln« weist auf ein unscheinbares Gebäude. Im Inneren riecht es leicht antiseptisch; im Flur stehen Glaskästen mit Ungeziefervernichtungsmitteln, Schautafeln und einer überdimensionalen Wespe aus Plastik. Hier ist der Arbeitsplatz von Ursula Bender, staatlich anerkannter Desinfektorin und Schädlingsbekämpferin.

Ihre Karriere ist eher ungewöhnlich: Eigentlich gelernte Friseurin, wechselte sie zunächst in die Gastronomie. Dort machte sie durch Mäusebefall in einer städtischen Kantine Bekanntschaft mit dem damaligen Leiter der Desinfektionsanstalt, der ihr vorschlug, den Beruf zu wechseln und sich der Schädlingsbekämpfung zu widmen. Das war vor 15 Jahren. Mittlerweile ist sie selbst Leiterin der Anstalt, aber ihre Erfahrungen aus der Küche kommen ihr immer noch zugute: »Wenn ich eine Küche begehe und Schädlinge suche, weiß ich genau, wo ich gucken muss.«

Schädlingsbekämpfung ist die Hauptaufgabe der Desinfektionsstelle, die eine Unterabteilung des Gesundheitsamtes ist. Es werden zwar auch Desinfektionen in Privatwohnungen und Rettungswagen vorgenommen, in der Regel nach dem Auftreten meldepflichtiger Krankheiten wie Tuberkulose oder Meningitis, aber Schädlinge an öffentlichen Plätzen sind die härteren Gegner. Beispielsweise die Ratten auf der Domplatte: »Nachts laufen die Ihnen über die Füße«, so Benders Erfahrung. Deshalb wird von Zeit zu Zeit ein Kontaktgift in Pulverform in die Blumenrabatte gepumpt, wo sich die Bauten der Tiere befinden. Wenn sie damit in Berührung kommen und es durch die Fellpflege aufnehmen, werden sie zunächst licht- und geräuschempfindlich und verbluten schließlich innerlich. Das scheint brutal, aber hier heiligt der Zweck die Mittel: »Wir wollen Gesundheitsgefährdungen für die Kölner Bevölkerung ausschließen.« Ratten sind bekanntermaßen Krankheitsüberträgerinnen und überall in der Stadt zuhause. Vor allem auf Grünflächen wie dem Rathenauplatz, der mit seiner dichten Bepflanzung ringsum und dem Gastronomiebetrieb das reinste Rattenparadies ist. Ausgebildeten SchädlingsbekämpferInnen können die Tiere, die hauptsächlich nachts aus ihren Bauten kommen, aber nicht entgehen: »Eine Ratte im Außengelände ist wie ein Elefant«, erklärt Ursula Bender. Sie könne ihren Schwanz nicht heben und hinterlasse deshalb unvermeidliche Schleifspuren.

Wo die SchädlingsbekämpferInnen möglicherweise zu spät kommen und schon eine Krankheit ausgebrochen ist, müssen in manchen Fällen so genannte DesinfektorInnen an die Arbeit gehen. Die Ausbildung, die die städtische Desinfektionsanstalt in diesem Bereich anbietet, dauert vier Wochen, kostet 540 Euro und endet mit einer Prüfung. »Die Lehrgänge werden sehr gut besucht, in Nordrhein-Westfalen sind wir die einzige Schule«, kommentiert Bender die Nutzung dieses Angebots. Bis vor acht Jahren hatten die städtischen DesinfektorInnen, von denen es heute drei in der Anstalt gibt, noch mehr zu tun. Übernachtungshäuser für Obdachlose schickten ihre Gäste zunächst zur Desinfektionsanstalt, wo sie duschen, sich gegebenenfalls entlausen und die Haare schneiden lassen konnten. Wieder eine Aufgabe für Ursula Bender: »Meine Ausbildung als Friseurin ist mir hier oft hilfreich gewesen.« Unterdessen wurde ihre Kleidung in speziellen Kammern, die mittlerweile defekt sind, bei 104°C von möglichem Ungeziefer befreit. Heute bezahlen solche Häuser, die Hygienemaßnahmen selbst und haben eigene Angestellte für diese Aufgaben; die Kleidung der Gäste wird häufig einfach verbrannt und durch neue ersetzt. Weniger aufwändig, aber dennoch schade, wie Bender feststellte: »Sie wollten sich oft nicht von den Sachen trennen.«

Entlaust wird in der Desinfektionsanstalt jedoch nach wie vor, vor allem bei Schulkindern. So bleibt ein mit einem riesigen Waschbecken ausgestatteter Raum für die Kopfentlausung auch erhalten, wenn die Einrichtung im Laufe des Jahres in andere Räume in der Nähe des Gesundheitsamtes zieht, da die Räumlichkeiten am Eifelwall wegen der inzwischen ungenutzten Desinfektionskammern zu hohe Mietkosten verursachen. Aber egal in welchen Räumen: Ursula Bender und ihre KollegInnen bleiben den Schädlingen auf den Fersen. Schutz vor ihnen garantiert nach Benders Erfahrungen nämlich nicht einmal eine Wohnung ohne jede Grünfläche vor der Wohnungstür: »Ich habe in der vierten Etage schon Ratten aus dem Klo kommen sehen.«