»Behandelt wie ein Minderjähriger«

Nicht glücklich in Deutschland: MigrantInnen aus Hamburg über ihre alltägliche Probleme mit den Behörden. Sie vermissen Respekt und Unterstützung. Von Julia Kirchner, Lasse Hinrichs

Babak Sami (Name geändert) betreibt einen Lebensmittelkiosk in Hamburg-Eppendorf. Als er vor 26 Jahren nach Deutschland kam, habe man ihn als Gast aufgenommen, erinnert sich der heute 45-Jährige. Seine beiden Töchter sind hier geboren, besuchen den Kindergarten und die Schule, seine Frau lebt hier, seine FreundInnen auch. Er hat sich eine Existenz in Hamburg aufgebaut, doch glücklich ist er damit nicht. Wenn er könnte, würde er Hamburg lieber heute als morgen verlassen. Seine wirkliche Heimat sei der Iran, erklärt Sami. Ihm fehle hier Geborgenheit, er vermisse Achtung und Respekt. »In Deutschland werde ich wie ein Minderjähriger behandelt«, sagt er.

Sami kam nach Hamburg, um ein Medizinstudium aufzunehmen. Aber er wurde nicht zugelassen, deshalb suchte er sich einen anderen Studiengang. Anschließend kamen die Schwierigkeiten mit der Aufenthaltsbewilligung hinzu. Immer neue Papiere habe die Hamburger Ausländerbehörde - das »Horrorhaus« - verlangt, um seine Anträge zu bewilligen. Jahr für Jahr habe er Anwälte zu Rate ziehen müssen. Das habe nicht nur viel Geld verschlungen, sondern auch Zeit und Nerven gekostet. Sami musste nebenher arbeiten, und sein Studium zog sich in die Länge.

Heute ist Sami »ein Medizintechniker, der Kartoffeln verkauft.« Er muss zwei Schichten pro Tag arbeiten, um seine Familie ernähren zu können, denn das Geschäft rentiert sich nicht. »Ich bin verschuldet bis zum Hals«, erzählt er. Trotz aller schlechten Erfahrungen hat er im Januar einen deutschen Pass beantragt. Nicht für sich oder seine Frau, sondern für seine Kinder: »Damit sie es später leichter haben.« Seine Familie im Iran hat Sami das letzte Mal vor vier Jahren gesehen. Das Land ist zurzeit bekannt für religiösen Fanatismus, Armut und den Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Die aufgeklärten Menschen des Landes leiden unter Zensur und religiöser Unterdrückung. Manchen hilft unter diesen Umständen nur noch die Flucht.

In Hamburg zählte die Ausländerbehörde in den letzten beiden Jahren 1543 so genannte Asylerstanträge. »Insgesamt ist das ein Bewerberrückgang, auch bundesweit«, sagt der Sprecher der Behörde, Norbert Smekal. Die meisten Flüchtlinge kämen aus Afghanistan, gefolgt von MigrantInnen aus Serbien/Montenegro und dem Kosovo. Lediglich 51 Anträgen gab das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration statt. Zu Jahresbeginn lebten exakt 12155 geduldete Personen in Hamburg.

Wer bereits seit Jahren geduldet in Deutschland lebt, hat mit dem neuen Zuwanderungsgesetz die Möglichkeit, einen Bleiberechtsantrag zu stellen. »Ein großer Teil der Geduldeten hat gar nicht erst einen solchen Antrag gestellt«, sagt Cornelia Gunßer vom Hamburger Flüchtlingsrat, zum Teil aus Unwissenheit, »zum Teil aber auch aus Angst, erst recht abgeschoben zu werden, wenn sie gegenüber den Behörden einen Bleiberechtsanspruch äußern.« Jeder Flüchtling habe Gründe, sein Herkunftsland zu verlassen, sagt Gunßer. »Über diese Gründe sollten wir uns kein Urteil anmaßen.«

Der Status der Duldung ist an strenge Auflagen gebunden. Er gilt nur innerhalb Hamburgs, erlischt mit der Ausreise, erlaubt nur Teilzeitjobs und muss in der Regel nach jedem halben Jahr verlängert werden.

Diese Auflagen kennt auch Shpresa Gashi. Die Kosovo-Albanerin mit einem serbisch-montenegrinischen Pass lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern seit mehr als sechs Jahren in Hamburg. Sie verbringt mehrmals im Monat viele Stunden mit ihrem elf Monate alten Sohn auf der Ausländerbehörde.

Sie und ihr Mann verließen den Kosovo vor über sechs Jahren, um dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien zu entgehen, und kamen nach Deutschland, »weil es hier ruhig ist«. Kurz darauf kam ihr erstes Kind zur Welt, das mittlerweile fünfeinhalb Jahre alt ist. Die durch die Kriegserlebnisse traumatisierte junge Frau hatte hier eine Therapie begonnen. Doch plötzlich zahlte das Sozialamt die Behandlung nicht mehr.

Ähnlich verlief es mit einem aus EU-Geldern finanzierten EDV-Qualifizierungskurs, den Gashi begonnen hatte. Der Kurs umfasste neben EDV- auch Deutschunterricht und lief mit täglichem Programm insgesamt über 14 Monate. Für die junge Mutter hatte das Schülerinnendasein nach sechs Monaten ein jähes Ende: Die Ausländerbehörde hat ihre Bewilligung gestoppt.

Gashis Gefühle gegenüber ihrem Gastland sind ambivalent. »Ich fühle mich schon integriert«, sagt sie einerseits, doch im selben Atemzug fügt sie hinzu: »Hier in Deutschland geht es mir nicht gut«. Ihre Heimat sei ihr Geburtsland, der Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Sie sagt das mit lebhafter Stimme und mit Nachdruck. Dann kommt wieder der Bruch: »Wenn ich denke, dass ich zurück muss, werde ich verrückt.« Der Krieg hat seine Spuren hinterlassen.