Guerilla ohne Stadtplan

Der Präsident des Tschad kann Angriff auf die Hauptstadt abwehren. Seine Unterstützung in der Bevölkerung schwindet aber. Auch Frankreich und China verfolgen Interessen in der Region. Von Bernhard Schmid

Unter der prallen Sonne wurden die Kriegsgefangenen der schaulustigen Menge vor dem Präsidentenpalast präsentiert, 257 barfüßige Guerilleros, in Militärkleidung oder Lumpen, unter ihnen auch einige Heranwachsende. Neben ihnen lagen Kalaschnikows, von Kugeln durchlöcherte Pick-ups standen auf dem glühenden Asphalt. So dokumentierte das Regime des Tschad in Zentralafrika seinen vorläufigen Sieg über die bewaffnete Opposition, deren KämpferInnen am 13. April erfolglos versucht hatten, die Hauptstadt zu erobern.

Die Behörden sprechen von »400 Toten, darunter 370 Rebellen«, in der Hauptstadt N'Djamena. Schätzungsweise 600 Guerilleros starben bei Kämpfen in anderen Landesteilen. Die Verluste der Regierungsarmee gab Präsident Idriss Déby auf einer Pressekonferenz mit 40 Soldaten an. Auch 60 bis 70 ZivilistInnen seien getötet worden. Die Regierungstruppen setzten bei den Kämpfen in der Hauptstadt Artillerie und Panzer ein.

Die im Südosten an der sudanesischen Grenze operierenden Verbände der »Vereinigten Kräfte für die Veränderung« (FUC) hatten offenbar selbst nicht damit gerechnet, so leicht in die Hauptstadt vordringen zu können. Als die etwa tausend KämpferInnen das Zentrum erreichten, fragten sie AugenzeugInnen zufolge nach »dem Palast«, dem Amtssitz des Präsidenten. Die Frage falsch interpretierende AnwohnerInnen hätten sie zur Nationalversammlung geschickt. Tatsächlich ereigneten sich die entscheidenden Kämpfe vor dem Parlament. Möglicherweise hat Déby den Guerilleros den Einmarsch in die Hauptstadt ermöglicht, um sie dort einkreisen und vernichtend schlagen zu können. Die FUC bezeichnete die Niederlage als »taktischen Rückzug« und kündigte weitere Angriffe an.

Sicher ist, dass die Regierung über den bevorstehenden Angriff informiert war. »Als die Söldnerkolonne in N'Djamena ankam, wurde sie erwartet. Unsere Kräfte waren da. Der Hinterhalt stand bereit. Wir haben ihr die Croissants und den Kaffee heiß serviert, sehr heiß«, sagte Déby in der vergangenen Woche dem Figaro. Der Präsident verschwieg nicht, wem er seinen Informationsvorsprung verdankt. Allein die Luftaufklärung der französischen Armee ermöglichte es, die Guerillaverbände zu orten.

Offiziell unterhält Frankreich keine Militärbasis im Tschad, doch sind 1350 Soldaten der Operation Epervier (Sperber) im Rahmen eines seit nunmehr zwanzig Jahren andauernden »Manövers« dort stationiert. Sie übernehmen auch Truppentransporte für die tschadische Armee. Direkt in die Kämpfe eingegriffen haben sie nicht, ein französisches Kampfflugzeug feuerte jedoch zur »Warnung« eine 30-Millimeter-Granate auf einen Konvoi der Guerilleros. Das Verteidigungsministerium möchte dies als »ein Signal an die kriegführenden Parteien« verstanden wissen.

Die Parteinahme für Déby, der 1990 mit französischer Hilfe an die Macht kam, ist jedoch eindeutig. Der Konflikt ist für Frankreich eine Chance, wieder mehr Einfluss in der Region zu gewinnen, nachdem bei der Ausbeutung der erst seit dem Jahr 2003 genutzten Ölquellen vorwiegend US-Konzerne profitiert haben. Doch auch ein neuer Global Player interessiert sich für die Energieressourcen der Region. China sähe es einer Analyse des Figaro zufolge gerne, wenn der Sudan seinen Einfluss im Tschad vergrößern könnte. Das Öl aus der Region würde dann vor allem über den Hafen Port Sudan nach Ostasien exportiert werden, statt durch die Tschad-Kamerun-Pipeline zu Häfen am Atlantik und von dort in den Westen transportiert zu werden. Die Regierung des Tschad behauptet, das islamistische Militärregime des Nachbarlands Sudan habe den Angriff organisiert, sechzig Prozent der etwa 500 gefangen genommenen Guerilleros seien SudanesInnen.

Die unterlegenen »schwarzen« Bevölkerungsgruppen in der westsudanesischen Kriegsprovinz Darfur, die dort von den dem Regime nahe stehenden Dschandschawid-Milizen terrorisiert werden, sind mit den Bevölkerungsgruppen verwandt, die im Tschad an der Macht sind. Umgekehrt werden im Tschad die »arabischen« Bevölkerungsgruppen drangsaliert. Déby wollte im Darfur-Konflikt zunächst neutral bleiben. Dies wurde von einflussreichen Kräften seiner Bevölkerungsgruppe, der Zaghawa, und auch von Mitgliedern seiner Familie als Verrat betrachtet. Seit dem Jahr 2004 wurde die tschadische Regierung immer tiefer in die Auseinandersetzungen hineingezogen. Daher sähe das sudanesische Regime eine Destabilisierung im Tschad wohl nicht ungern.

Der Aufstand gegen Déby hat jedoch in erster Linie innenpolitische Ursachen. Seine AnhängerInnenschaft, die sich in erster Linie aus Angehörigen der Zaghawa rekrutiert, ist klein, und der Ölexport hat die Herrschaft über den Tschad lukrativer gemacht. Allerdings ist die Verwendung eines großen Teils der Einnahmen an ein striktes Reglement gebunden, das die Weltbank überwacht. Weil seine Regierung dagegen verstoßen hat, ist Déby der Zugriff auf die Einnahmen verwehrt, was der Präsident als Diskriminierung empfindet: »Welches Land der Welt, das Ressourcen besitzt, würde nicht Waffen kaufen, um sich zu verteidigen?« Er drohte zunächst mit einem Stopp der Ölexporte, sprach sich dann aber für einen »Kompromiss« aus, »der unsere legitimen Interessen wahrt«.

Eine bessere Verhandlungsposition erwartet Déby sich von den für den 3. Mai geplanten Wahlen, nach denen er sich als demokratisch legitimiert präsentieren will. Die zivile Opposition spricht von einer »erneuten Komödie und Wahlfarce«. An der Abstimmung im Jahr 2001 hatten sich 104 Prozent der eingeschriebenen WählerInnen beteiligt. Zwar fehlten viele EinwohnerInnen aus dem Präsidenten nicht wohl gesonnenen Regionen im Register, dies wurde jedoch durch die großzügige Verteilung zusätzlicher Wahlausweise an AnhängerInnen Débys und Angehörige seiner Bevölkerungsgruppe kompensiert. Diesmal sind seine Gegner drei Mitstreiter, deren Kandidatur er selbst finanziert hat.

Auf dem Index für menschliche Entwicklung der Uno belegt der Tschad Platz 173, nur in drei der untersuchten Staaten geht es den Menschen noch schlechter. Zahlreiche Quellen berichten von Sympathiebekundungen aus der Bevölkerung verschiedener Stadtviertel von N'Djamena für die vorrückenden Rebellen. Nach der Niederschlagung des Angriffs kam es zu Verhaftungen von »Sympathisanten«, unter ihnen auch Militärs.

Der Sieg seiner Truppen löst Débys Probleme jedoch nicht. Selbst Angehörige seiner Familie haben sich der bewaffneten Opposition angeschlossen, und neben der FUC gibt es noch weitere Guerillagruppen. Vielleicht nehmen sie beim nächsten Angriff einen Stadtplan mit

Bernhard Schmid ist Journalist und lebt in Paris.