und oder oder und: Treffen sich zwei Konjunktionen...

Von Christina Rietz

»der inhalt ist der feind jedes texts, von geschichten will ich gar nicht reden. inhalt - mir wird schlecht. ich muss aufhören.«

Friedrich Achleitner hat die Quintessenz seines neuen Büchleins und oder oder und mit diesen zwei Zeilen selbst am besten beschrieben. Das macht es RezensentInnen umso schwerer: Worüber schreiben, wenn der mittlerweile 76-jährige Achleitner seinen neuesten sprachkritischen Ausführungen jeglichen Inhalt verweigert? Grundsätzlich geht es um Sprache und um die Probleme, die man mit ihr haben kann, wenn man genauer hinsieht. Da werden Redewendungen zerpflückt und Alltagssprache seziert, so dass jeder der 104 Texte zum Sprachspiel mit eingebauter Kalauergarantie wird. Ein Beispiel in bewährter Kleinschreibung: »zuerst ging der dichter durch die mariahilfer straße und dann ging die mariahilfer straße durch den dichter.«

So platt bleibt es allerdings nicht, und die FAZ bescheinigt Achleitner, dass er in seinen Sprachspielen »Splitter jenes postmodernen Irrsinns einfängt, den wir für die Welt halten.« Der Text »würdenträger« dreht sich beispielsweise um die Frage, wie ein Würdenträger wohl würdig die Würde trägt. Mit ebensoviel Witz nimmt sich der Autor die Aufklärung zur Brust: diese müsse scheitern, denn ihr »eisiger Wind« sei leider machtlos, sobald sich die »wärme der dummheit« ausbreite, die »nach den Gesetzen der Thermodynamik« doch die besseren Chancen habe. Außerdem gibt es einen Dialog der beiden erfolgreichsten deutschen Konjuktionen, und und oder, die österreichische Literaturgeschichte in acht Zeilen und den Beweis, warum das »daumendrehen« kein Zeitvertreib, sondern echte Qual ist.

Nach dem Sinn der »Prosaminiaturen« zu fragen ist häufig müßig, Funken schlägt allein der momentane Kurzschluss vom Wörtlichnehmen bildlicher Sprache. Umgekehrt funktioniert es auch. Ein Text ohne Inhalt lebt von der Form, getreu diesem Motto heißt es am Ende bei Achleitner: »der schönste schluss ist ein punkt.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Friedrich Achleitner: und oder oder und. Zsolnay Verlag, Wien 2006, 14,90 Euro.