Widerstand wie in Frankreich?

Voraussetzungen für Proteste sind in Deutschland schlechter als in Frankreich Von Patrick Hagen

Die studentische Streikbewegung ruft "tous ensemble" und beruft sich auf Frankreich. Wie realistisch sind "französische Verhältnisse" in Deutschland?

Allem Anschein nach haben die Bilder aus Frankreich, vor allem die von der Protestbewegung gegen den CPE Anfang dieses Jahres, zumindest für einen Teil der Protestierenden in Deutschland prägende Wirkung gehabt. Bisher habe ich allerdings nicht den Eindruck, dass die Proteste eine gesamtgesellschaftliche Protestbewegung in Gang setzen können. In Frankreich war genau das in entscheidenden Momenten der Fall. Man sollte die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland sauber heraus arbeiten. Das darf aber nicht als Vorwand benutzt werden, um Passivität zu rechtfertigen.

Wo liegen die entscheidenden Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich?

Zunächst einmal ist das gesellschaftliche Umfeld der Proteste ein anderes. Es gibt historisch herausgebildete Strukturen, die in Frankreich die Radikalisierung von Protestbewegungen erleichtern. In Deutschland ist beispielsweise ein Streik ohne Unterstützung durch den Gewerkschaftsapparat "illegal". Außerdem sind die Gewerkschaftsapparate stark ins politische und ökonomische System integriert. Sie sind ein Faktor, der einen Brückenschlag von Studierenden zu Arbeitern und Angestellten verhindert.

Festzuhalten bleibt: Es gibt Blockaden in Deutschland - struktureller und rechtlicher Natur. Aber sie sind nicht unüberwindbar. Und es wäre Unsinn, sich auf sie zu berufen, um bequem im Sessel sitzen zu bleiben.

Bernhard Schmid lebt und arbeitet als Jurist und Journalist in Paris. Mit ihm sprach Patrick Hagen.