Nazis sind zweimal nicht marschiert

Am 19. November wollten Neonazis durch die Kölner Innenstadt marschieren. Die Polizei beendete die Kundgebung unmittelbar nach Beginn, da sich ein Redner trotz Verbot auf die Reichspogromnacht bezog. Von Carolin Wedekind

Nach fünf Minuten war die Kundgebung auch schon wieder beendet. Unter dem Motto »Meinungsfreiheit ist erlernbar« wollten rund fünfzig Neonazis am 19. November in der Kölner Innenstadt demonstrieren. Als Sascha Krolzig von der »Kameradschaft Hamm« den 9. November in einem Redebeitrag als »großartigen Tag in der deutschen Geschichte« bezeichnete, löste die Kölner Polizei die Kundgebung allerdings sofort auf.

Mit seiner Bezugnahme auf die so genannte Reichspogromnacht missachtete Krolzig die polizeilichen Auflagen, die noch unmittelbar vor Beginn der Auftaktveranstaltung verlesen wurden. 1938 waren in der Nacht vom 9. auf den 10. November in ganz Deutschland tausende Synagogen, Geschäfte und Wohnungen jüdischer BürgerInnen durch Mitglieder von SA und SS verwüstet und angezündet worden.

Die Auflösung der Veranstaltung wurde von den rund vierhundert GegendemonstrantInnen, die einem Aufruf der Bezirksvertretung Innenstadt gefolgt waren, mit großer Freude aufgenommen. »Seit 1990 wurden über zweihundert Menschen in der Bundesrepublik von den braunen Gangstern ermordet«, betonte ein Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. »Und dann wollen die Mörder uns weismachen, es ginge um Meinungsfreiheit! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!« Hans Decruppe, Rechtsanwalt und Direktkandidat der Linkspartei, forderte in seinem Redebeitrag, dass »dieses Treiben« verboten gehöre.

Angemeldet hatte die Demonstration der bekannte Neonazi Axel Reitz, der sich selbst als »Gauleiter Rheinland« bezeichnet. Er wollte damit gegen das Verbot eines Fackelmarsches zehn Tage zuvor, am 67. Jahrestag des 9. November 1938, protestieren. Dieser hätte mit einer Kundgebung »gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung« vor der Kölner Synagoge enden sollen.

Naziaufmärsche an Veranstaltungsorten mit eindeutigem Symbolgehalt stören jedes Jahr das Gedenken an die Opfer der Shoah mit zynischen Rufen wie »Die schönsten Nächte sind aus Kristall.« Polizeipräsident Klaus Steffenhagen bezeichnete die geplante Versammlung an diesem geschichtsträchtigen Datum als »Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung« und verbot sie. Zahlreiche KölnerInnen, darunter etwa vierhundert StudentInnen, hielten aus diesem Anlass eine Mahnwache gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus ab, bei der Gedichte von Holocaustüberlebenden verlesen wurden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass latente Vorurteile gegenüber jüdischen Menschen auch außerhalb der rechten Szene weit verbreitet sind. Nicht zuletzt wurde auf die bis heute zahlreichen Verbrechen mit antisemitischem Hintergrund aufmerksam gemacht. Auch in Deutschland werden immer wieder jüdische Friedhöfe geschändet, Anschläge und Gewaltakte verübt. Pro Jahr werden mehrere hundert als antisemitisch motiviert eingeschätzte Straftaten registriert.