Ouvertüre

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Humankapital, Wirtschaftsressource, elitäres Luxusgut, akademisch, wissenschaftlich und/oder berufsqualifizierend - all das soll Bildung angeblich sein. Aber welche Bildung ist denn nun die beste, und was soll sie wirklich können? Die Erleuchtung kommt ausgerechnet in einem verrauchten Abteil eines Regionalzuges der Deutschen Bahn. Unscheinbar flackert es unter achtlos liegengelassener Reklame hervor, das Licht am Ende des Tunnels: der neue Wachtturm.

Dort heißt es: »Unter Jung und Alt wird heute oft der Wert der akademischen Bildung gelobt«. Doch leider sei es so, dass »Menschen, die wegen ihrer intellektuellen Leistung bewundert werden, mitunter unerwünschte Wesenszüge entwickeln, familiär scheitern oder sich am Ende sogar das Leben nehmen«. Übernatürliche Rettung wenige Absätze später: »Es ist schön, zu wissen, dass der allmächtige Gott, Jehova, uns schulen möchte«.

Was ist dann der göttliche Lehrplan? Von acht Uhr früh bis Mittag Hosianna singen und danach Frohlocken? Schon, irgendwie: »Im wahren Christentum muss alles Denken und Tun mit dem Willen Gottes übereinstimmen und darauf abzielen, seinen Namen zu verherrlichen und zu ehren«. Vor allem aber solle zuvorderst die Bibel studiert werden. Dass diese Bildung zu einem guten Abschluss führt, zeigen die »Name von der Redaktion geändert«-ChristInnen, die mit dem Bibelstudium Alkohol und Drogen besiegt haben

Wie's scheint, hat sich die biblische Bildung à la Zeugen Jehovas sogar gewaschen, denn wie »John« aus einer der ärmsten Gegenden Südamerikas berichtet, hat sich seine Tochter manchmal »eine Woche nicht gewaschen und irgendwie hat das keinen gestört«. Jetzt weiß er dank Bibelstudium, dass ein guter Christ auch ein sauberer Christ ist. Darum sei den geneigten LeserInnen folgender Segen mit auf den Weg gegeben: »Formt euch nicht mehr nach dem System der Dinge, sondern werdet durch die Neugestaltung eures Sinnes umgewandelt«. Amen.

Die Redaktion