Gefühle in Stoff

Leben und Sterben in der französischen Provinz, aber trotzdem alles andere als ein Heimatfilm. Von Julia Groth

Eine junge Frau, die ungewollt schwanger ist. Eine Frau in den mittleren Jahren, die vor kurzem ihren Sohn verloren hat. Was diese beiden Menschen verbindet, erzählt der französische Film Die Perlenstickerinnen von Eléonore Faucher auf sensible Weise und mit ausdrucksstarken Bildern.

Die siebzehnjährige Claire möchte von der Frauenärztin erst gar nicht erfahren, ob das Kind in ihrem Bauch ein Junge oder ein Mädchen wird: Sie will anonym entbinden und so schnell wie möglich zu ihrem normalen Leben zurückkehren. Den wachsenden Bauch versteckt sie unter einer weiten Jacke, die Gewichtszunahme erklärt sie damit, dass sie Krebs hätte und Cortison nehmen müsse. Als sie trotzdem ihre Arbeit als Kassiererin verliert, arbeitet sie für die Haute-Couture-Stickerin Madame Melikian. Diese trägt ihre eigene Bürde, denn kurze Zeit zuvor ist ihr Sohn bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.

In einem langsamen Prozess finden die beiden Frauen über das Sticken von Mustern und Kreieren von Kleidungsstücken langsam zueinander und schaffen es allmählich, sich anderen Menschen mehr zu öffnen und wieder hoffnungsvoller in die Zukunft zu blicken. Faucher zeigt, dass die Zeit zwar nicht alle, aber viele Wunden heilt. Manchmal genügt es schon, nicht allein zu sein, um Trauer besser verarbeiten zu können.

Die Perlenstickerinnen wurde zu Recht bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2004 mit dem renommierten Großen Preis der Sémaine de la Critique ausgezeichnet und erhielt auch weitere Ehrungen. Obwohl der Film durch die Thematik und die weiblichen Hauptrollen den Eindruck erwecken kann, ein Film von Frauen und für Frauen zu sein, ist er durchaus empfehlenswert für Menschen beiderlei Geschlechts, die leise Töne zu schätzen wissen.

Die Perlenstickerinnen. Frankreich 2004. Drehbuch und Regie: Eléonore Faucher. DarstellerInnen: Lola Naymark, Ariane Ascaride. Kinostart: 19. Mai.