Die Rückkehr der Schatten: Okkulte Nazis in Mexiko

Von Gerd Riesselmann

Mexiko 1941. Der chinesisch-mexikanische Seemann und Hilfsarbeiter Tomás Wong traut seinen Augen nicht: Nazistische Braunhemden mitten im Urwald des mexikanischen Bundesstaates Chiapas? Zur gleichen Zeit bemerkt der Geheimagent Fermín Valencia seltsame Aktivitäten in der deutschen Botschaft in Mexiko-Stadt, während der Journalist Pioquinto Manterola von deutschen ExilantInnen über die Verbindungen zwischen den Nazis und der okkulten Thule-Gesellschaft informiert wird. Und ist der Mensch, der völlig zerrüttet am Tor der Nervenheilanstalt gefunden wurde, wirklich Erik Jan Hanussen, der tot geglaubte Hofzauberer Hitlers? Wenn ja, was führt ihn ausgerechnet nach Mexiko?

In seinem Roman Die Rückkehr der Schatten vermischt der mexikanische Kriminalschriftsteller und Historiker Paco Ignacio Taibo II gewohnt gekonnt Fakten und Fiktion. Herausgekommen ist neben einer spannenden und abwechslungsreichen Geschichte um eine nazistisch-okkulte Verschwörung ein Zeitgemälde Mexikos und der antifaschistischen Bewegung der Vierzigerjahre. Das Buch spannt den Bogen vom Wirken der deutschen Kaffeebarone in Chiapas zu Hitlers Krankheitsgeschichte, vom antifaschistischen Exil zum spanischen Bürgerkrieg.

Taibos Helden sind allesamt von der Niederlage der linken Bewegung gezeichnet, sei es der Internationalist Wong, der einst mit Mao auf den langen Marsch zog und jetzt allein einen Guerillakrieg gegen die Nazis im lakadonischen Urwald führt, sei es der einarmige Spanienkämpfer Valencia, den alle den Dichter nennen, der aber nur Pornoromane schreibt. Auch der Journalist Manterola muss machtlos mit ansehen, wie die unter Präsident Lázaro Cárdenas verfügte Nationalisierung der US-amerikanischen, britischen und niederländischen Erdölgesellschaften und die Landverteilung an die Bauern und Bäuerinnen nun einer hemmungslosen Bereicherung der herrschenden Klasse weicht. Und da ist nicht zuletzt der Ich-Erzähler, der sich in die Sicherheit einer Nervenklinik zurückgezogen hat.

Aus dem Verlust kollektiver Kämpfe und der Vereinzelung entwickelt sich so eine klassische Geschichte von vier gegen den Rest der Welt, die einen bis zum Showdown in Atem hält - und zu der auch Ernest Hemingway, besessen von der Idee, die Deutschen wollten in Kuba eine U-Boot-Station errichten, seinen Teil beiträgt.

Paco Ignacio Taibo II schreibt zurzeit mit Subcomandante Marcos an einer Detektivgeschichte, die ebenfalls im Urwald von Chiapas spielt. Der Verlag Assoziation A hat bereits eine Übersetzung angekündigt. Man darf sich freuen.

Paco Ignacio Taibo II: Die Rückkehr der Schatten, Verlag Assoziation A, Berlin 2005, 24 Euro.