Sexualisierte Gewalt

Von Beate Schulz

Erst seit 1996 sind systematische Misshandlungen und Vergewaltigungen vom Internationalen Gerichtshof ausdrücklich als Kriegsverbrechen und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« anerkannt, auch wenn diese seit jeher fester Bestandteil jeder militärischen Auseinandersetzung sind. In dem kürzlich erschienenen Handbuch Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen liefert die Hilfsorganisation medica mondiale einen multidisziplinären Überblick zu den wichtigsten Ansätzen in der Arbeit mit Frauen, die durch Kriegshandlungen traumatisiert sind.

In neun gut lesbaren Einzelbeiträgen werden die sozialen, psychischen und körperlichen Folgen für die Frauen im kulturellen Kontext und ihre problematische rechtliche Situation als Asylbewerberinnen oder Zeuginnen veranschaulicht. Neben einem Überblick über die Geschichte sexualisierter Kriegsgewalt liefert das Buch auch Einblicke in aktuelle Abläufe bei Internationalen Strafgerichten und Wahrheitskommissionen. Der praxisbezogene Teil vermittelt wesentliche Grundlagen für Angehörige aller Berufsgruppen, die mit den traumatisierten Frauen arbeiten. Vor allem der Retraumatisierung der betroffenen Frauen soll vorgebeugt werden. Denn auch, aber nicht nur, in den patriarchalischen Gesellschaften, in denen die Opfer stigmatisiert werden und in zahlreichen Verhören ihre Leidensgeschichte immer wieder schildern müssen, wird das Trauma oft noch vergrößert.

Vor allem die gesellschaftliche Tabuisierung und die mangelnde Aufarbeitung und Strafverfolgung der an Frauen begangenen Kriegsverbrechen wird in diesem Band angeprangert. So wird das Zusammenspiel von Vergewaltigungen und Zwangsprostitution auch im Rahmen von Blauhelmeinsätzen sowohl von der UN als auch den einzelnen Landesregierungen stillschweigend unter den Teppich gekehrt. Opfer, die unter anderem in EU-Mitgliedstaaten Zuflucht suchen und Asyl beantragen, müssen oftmals mit der Abschiebung rechnen. Auch wenn sich das Handbuch in erster Linie an diejenigen richtet, die beruflich mit traumatisierten Frauen arbeiten, ist es auch für andere Interessierte gut lesbar und ein wichtiger Bestandteil in der Öffentlichkeitsarbeit von medica mondiale.

Medica mondiale e.V. (Hg.): Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen. Handbuch zur Unterstützung traumatisierter Frauen in verschiedenen Arbeitsfeldern, Mabuse-Verlag, Frankfurt 2004, 29,80 Euro.