Barfuß durch Hiroshima

Von Gerd Riesselmann

Am 6. August 1945 um 8.15 Uhr japanischer Zeit warf der amerikanische Bomber Egola Gay die erste Atombombe, genannt Little Boy, über Hiroshima ab. Keiji Nakazawa war damals sechs Jahre alt und überlebte den Abwurf, obwohl er sich lediglich 1,4 Kilometer vom Zentrum der Detonation entfernt aufhielt.

Nakazawa wurde Comiczeichner und legte 1975 das vierbändige autobiografisch-fiktionale Werk Barfuß durch Hiroshima vor, das die Ereignisse vor und nach dem Abwurf zum Thema hat. Das Werk wird nun erstmals komplett auf Deutsch veröffentlicht.

Schon bei einem flüchtigen Durchblättern der knapp dreihundert Seiten beeindruckt seine grafische Präsentation der Stunden nach der Explosion. Bilder, die einen nicht mehr loslassen: Menschen, die ihre geschmolzene Haut hinter sich her ziehen, apathisch durch die Gegend wanken und bei jedem Schritt auf die Leiber verunstalteter Sterbender treten. Nakazawas Alter Ego Gen muss mit ansehen, wie sein Vater und seine Geschwister bei lebendigem Leib verbrennen, eingeklemmt in den Trümmern ihres Hauses. Und Nakazawa malt es - gnadenlos.

Der vorliegende erste Band beginnt mit einer Darstellung des Alltags im militarisierten faschistischen Japan 1945 und endet kurz nach dem Abwurf der Bombe. Er schildert den Hunger, die alltägliche Gewalt, den Rassismus gegen die koreanischen und chinesischen Kriegsgefangenen. In der militärisch hoffnungslosen Lage 1945 setzt das Militär auf Kamikaze- und Bambuskämpfer, die japanische Bevölkerung zieht mehrheitlich mit. Gens Vater opponiert gegen den Krieg und wird als Verräter eingekerkert; auch die Familie hat unter Repressionen zu leiden. Nakazawa gelingt es hier, anhand prototypischer und autobiografischer Figuren ein eindringliches, kompromissloses Gesellschaftspanorama zu zeichnen.

Keiji Nakazawa: Barfuß durch Hiroshima. Band 1: Kinder des Krieges, Carlsen Verlag, Hamburg 2004, 12 Euro. Band 2 bis 4 erscheinen von Februar bis August 2005.