In die Vergangenheit

Architektonisch ist das eher unscheinbar wirkende Unikum äußerst interessant. Es spiegelt eine Hauptrichtung der Fünfzigerjahre wider. Von Andrew MacNeille

Es scheint zu den Axiomen der Kunstrezeption zu gehören, das künstlerische Schaffen der jeweils letzten Generation zu verdammen und in die Mülltonnen des guten Geschmacks zu befördern. Unsere Zeit bildet angesichts der überwiegenden Aversion gegen die Architektur der letzten fünfzig Jahre keine Ausnahme. Bauten aus der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg gelten ob ihres Mangels an Engelsköpfchen, dekorativen Säulen und Stuck-Schnickschnack als trostlos, langweilig und hässlich. Allgemeines Unverständnis gilt ArchitekturhistorikerInnen und DenkmalschützerInnen, die hierin plötzlich authentische Zeitzeugnisse einer interessanten historischen Epoche sehen wollen.

Die Kölner Universität erhielt 1952-1954 eine neue Mensa an der Universitätsstraße. 1958 wurde sie entlang der Wilhelm-Waldeyer-Straße erweitert. Architekt war jeweils Walter Meyer vom Hochbauamt der Stadt Köln. Diese neue Mensa konnte in einem kleinen Saal (heute StudentInnenbücherei), einem großen Saal mit Empore (heute Studiobühne) und einem Erfrischungsraum (heute AStA-Café) täglich zweitausend Mittagessen ausgeben. 1974 wurde die neue Zentralmensa an der Zülpicher Straße eröffnet. Seither beinhaltet der Gebäudekomplex im Wesentlichen Räume der StudentInnenschaft, Studiobühne und Dienststellen der Universitätsverwaltung: das Unikum. Dieses erhielt 1967 den Kölner Architekturpreis und steht seit 1999 in der Denkmalliste der Stadt Köln.

Die Architektur der Fünfzigerjahre lässt sich grob in zwei Richtungen einteilen. Eine konservative, der Heimatschutzbewegung nahe stehende Strömung bediente sich traditioneller Bauformen und Materialien, um die historisch gewachsene Unverwechselbarkeit von Stadtbildern bewahren zu können und das Gefühl lokaler »Identität« zu schaffen. Demgegenüber wollte eine moderne Strömung unter Verwendung zeitgemäßer Formen und Materialien (Beton, Stahl, Glas) aufgelockerte, menschenwürdige und hygienische Städte schaffen, in denen sich ein Aufbruch in eine bessere Zukunft organisieren ließ.

Das Unikum gehört jener modernen Richtung an. Die aufgelockerte, asymmetrische Gruppierung der einzelnen Gebäudeteile, der funktionale Gesamteindruck, der Verzicht auf nostalgischen Zierrat, die Verwendung von Sichtbeton und von großen verglasten Flächen sind dessen typische Merkmale, ebenso wie die für die Zeit charakteristischen »Flugdächer«: dünne, über die Gebäudekante auskragende Flachdächer, die den Baukörpern nach oben den Eindruck von Leichtigkeit verleihen sollen. Die großen Glaswände schaffen helle, transparent wirkende Innenräume, beispielsweise im Cafébereich und in der heutigen StudentInnenbücherei. Die Aussage der Universität als Bauherrin ist deutlich: man wollte sich in einer zentralen Versorgungseinrichtung als progressiv, als auf der Höhe der Zeit befindlich und als transparent profilieren. Die Leistungsfähigkeit einer modernen Versorgungseinrichtung sollte sich in der besonders modernen Formensprache spiegeln.

Ein Spaziergang durch das Innere des Unikums kann bei genauer Betrachtung zu einer Zeitreise in die Fünfzigerjahre werden. Da sind originale Fußböden aus Solnhofer Fliesen im Café und aus PVC, Glastüren mit Metallrahmen, Holztüren, hölzerne Heizkörperverkleidungen und Treppengeländer im Vorraum der Studiobühne erhalten. Auch bei diesen Details wurde auf Funktionalität geachtet. Ein rein dekorativ gemeintes Fünfzigerjahre-Unikat hingegen stellen drei Säulen im Café dar, welche mit abstrahierten Vogel-, Fisch- und Pflanzenmotiven in Mosaik- und Sgraffito-Technik verziert sind. Die Säulen wurden 1953 von dem Künstler Otto Gerster von den Kölner Werkschulen gestaltet.

Wie eingangs erwähnt, stößt die Architektur der Nachkriegszeit auf nur wenig allgemeine Gegenliebe. Es sei abschließend daran erinnert, dass damals die von uns heute so geliebten Gründerzeitbauten als veraltet und hässlich galten und in Massen abgerissen wurden. Unsere Haltung gegenüber den architektonischen Äußerungen der Nachkriegszeit unterscheidet sich davon nicht. Die nächsten Generationen werden es uns nicht zu danken wissen.

Andrew MacNeille promoviert an der Universität Köln im Bereich Architekturgeschichte.