Provinzfürsten fürchten Windrad

Glaubt man der Kölner Politik, so droht eine ökologische Katastrophe ungeheuren Ausmaßes: Ein Windrad soll gebaut werden! Und auch noch höher als der Dom! Dann doch lieber mehr Atomerniergie. Von Gerd Riesselmann, Julia Kirchner

»Wir brauchen keine Weltwunder, die größer sind als der Kölner Dom!« Werner Theisen, Fraktionsvorsitzender der CDU im Pulheimer Stadtrat, ist empört. Grund der Aufregung: Im Kölner Norden soll die größte Windenergieanlage der Welt gebaut werden. 195 Meter, so die Planungen des Essener Investors Jürgen Schmidt, würde das Windrad Enercon E-112 in den Himmel ragen. Aufgestellt auf dem platten Land zwischen Esch und Sinnersdorf soll es 4,5 Megawatt Leistung bringen. Damit könnten viertausend Vierpersonenhaushalte mit Strom versorgt werden. Das entspricht dem Vierfachen der Leistung von durchschnittlichen Windenergieanlagen. Zusätzlich ist noch ein weiteres Projekt zur Nutzung regenerativer Energien geplant, ein Biomasse-Kraftwerk oder eine Geothermieanlage, die die Erdwärme ausnutzt.

Nicht nur in Pulheim, auch in Köln reagierte die Politik auf die Pläne mit heftiger Kritik. Der Tenor ist in beiden Städten der gleiche: Das »Monsterwindrad« würde »den Dom überragen«, beschwerte sich Rolf Bietmann, Bundestagsmitglied und affärengebeutelter ehemaliger starker Mann der Kölner CDU, in einem Brief an Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). Das Stadtbild würde »massiv beeinträchtigt«. Zudem könnte die geplante Anlage ein »Beispiel verfehlter Energiepolitik« mit »bedenklichen ökologischen Auswirkungen« werden.

Bietmanns Gegenrezept besteht aus einem flexiblen »Energie-Mix«, der auf absehbare Zeit auch die Kernenergie wieder mit einschließt. Beim Escher Windrad-Projekt hofft Bietmann auf das neue Baurecht, das den Kommunen ermöglicht, den Bau von Windenergieanlagen 18 Monate zurückzustellen. »Möglicherweise in der Hoffnung, dass einem potenziellen Windrad-Investor bis dahin die Luft ausgeht«, wie die Kölnische Rundschau anmerkt. Ähnlich wie Bietmann äußerten sich auch VertreterInnen von SPD und FDP. Nur die Grünen begrüßten den Bau des acht Millionen Euro teuren Projektes als Realisierung einer sinnvollen Energie-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

Investor Schmidt kann die massive Kritik an seinem Pilotprojekt nicht verstehen. Seine Anlage sei bisher einmaliger Art und eine potenzielle Bereicherung für Köln, äußerte er sich gegenüber der taz köln. Zudem sei sie für Binnenlagen optimiert. Durch die Entfernung von mehr als einem Kilometer zu den nächsten Wohnhäusern würden weder Menschen durch Lärm belästigt, noch käme es zu einer Beeinträchtigung der Tier- und Pflanzenwelt. Der Dom sei zudem zwölf Kilometer entfernt. Zum Vergleich: Zwölf Kilometer vom Dom liegen auch Frechen, Bergisch Gladbach und Leverkusen.

Verwundern müssen die Argumente der breiten Koalition gegen das Windrad. Erst Mitte letzten Jahres hatten SPD, FDP und CDU noch dem Bau des »LVR-Turms« am Deutzer Ufer zugestimmt. Der Turm mit einer Höhe von 103 Meter steht genau gegenüber dem Dom. Dieser ragt 157 Meter in den Himmel. Der Bau wurde von ArchitektInnen und DenkmalschützerInnen ebenso kritisiert wie vom Kölner Haus- und Grundbesitzerverein und der UNESCO.

Was wie eine typische Kölner Provinzposse anmutet, fügt sich jedoch in eine breite Ablehnung der Windenergie ein, die von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) über zahlreiche Anti-Windkraft-Bewegungen bis zum Spiegel reicht. Versprach die Windenergie vor nicht langer Zeit noch eine neue deutsche Strompolitik, einen Fortschritt im Ausstieg aus der Atomenergie, Umweltschutz und eine neue Hightech-Industrie, so wird all das plötzlich in Frage gestellt. Anstoß nehmen die Menschen am Geräuschpegel, am Schattenwurf und einer »Verschandelung der Landschaft«. Der eigentliche Hintergrund, die Senkung des Kohlenstoffdioxyd-Ausstoßes und die Schaffung von erneuerbaren Energiequellen, wird dabei übersehen beziehungsweise nicht als wichtig erachtet.

Nicht zuletzt unter der rot-grünen Bundesregierung sind bis einschließlich 2003 über 15000 Windkrafträder errichtet worden. Für den Zeitraum bis 2010 ist eine Verdoppelung dieser Zahl geplant. Deutschland soll zum Marktführer in umweltfreundlichen Energien gemacht werden. Die Menge an Stromleistung aus Windenergie in Deutschland ist bereits heute so groß wie die von den USA, Spanien und Dänemark zusammen.