»Sich nie verbiegen lassen«

Nach 25 Jahren droht erstmals wieder ein Berufsverbot in Deutschland. Baden-Württemberg verweigert einem Lehrer die Verbeamtung, weil er in einer antifaschistischen Gruppe aktiv war. Von Gerd Riesselmann

Eigentlich hätte Michael Csaszkóczy am 1. Februar dieses Jahres eine feste Anstellung als beamteter Realschullehrer in Heidelberg antreten sollen. Sein Berufseinstieg verlief bisher ohne Besonderheiten: Referendariat, Aufnahme in das BeamtInnenverhältnis auf Widerruf und seit Sommer 2002 Eintrag auf der allgemeinen BewerberInnenliste für das Realschullehramt. Doch im Dezember 2003 intervenierte das baden-württembergische Kultusministerium - auf Antrag des Innenministeriums. Der 33-Jährige stehe nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Er sei ein Verfassungsfeind und könne daher nicht als Lehrer tätig werden. Damit droht nach mehr als zwanzig Jahren wieder ein Berufsverbot in Deutschland.

Das Ministerium führt als Begründung Erkenntnisse des Verfassungsschutzes an, der Csaszkóczy mehr als zehn Jahre lang beobachtet hatte. Csaszkóczy hatte häufiger Demonstrationen gegen Nazi-Aufmärsche und deutsche Kriegseinsätze angemeldet und war Sprecher des Autonomen Zentrums in Heidelberg. Außerdem gehörte er der Antifaschistischen Initiative an. Er sieht sich selbst als »radikalen Linken«, einen, »der sich nie verbiegen lassen« will. Auf Demonstrationen wurde der angehende Lehrer zwar mehrfach verhaftet, alle Verfahren wurden jedoch eingestellt. Straftaten werden Csaszkóczy nicht vorgeworfen, wohl aber Artikel mit deutlich kapitalismuskritischem Inhalt.

Die Entscheidung über Csaszkóczys Zukunft liegt nun beim Kultusministerium. Dem Heidelberger bleibt aber wohl nur der gerichtliche Gang, und das kann bis zu zehn Jahre dauern. Eine völlige »Neuorientierung des Berufslebens« sei dies, so Csaszkóczy. Trotzdem steht für ihn fest: »Das hat definitiv keinen Einfluss auf mein weiteres politisches Engagement.«

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat sich hinter Csaszkóczy gestellt. Ebenso die Grünen. »Bei einem so schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte muss die Landesregierung nachweisen, dass Verhältnismäßigkeit gewahrt ist«, schrieb die Grünen-Abgeordnete im Landtag, Theresia Bauer, an die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU). Auch das Kölner Komitee für Grundrechte und Demokratie kritisierte die Vorgänge »harsch«. In einem offenen Brief an Schavan weist das Komitee darauf hin, dass auch die jahrelange Observation durch den Verfassungsschutz nur ergeben habe, dass Csaszkóczy »Mitglied einer verfassungskonformen, also gemäß Art. 9 GG nicht verbotenen, Initiative« sei. Die Ministerin sei aufgerufen, »der Folge von Skandalen endlich ein Ende zu setzen und nicht selbst einen Verfassungsskandal, also ein Ärgernis wider die Verfassung, daraus zu machen.«

Ermöglicht wird das Vorgehen gegen Csaszkóczy durch den so genannten Radikalenerlass. Dieser wurde 1972 unter Willy Brandt (SPD) in Kraft gesetzt, um die Beschäftigung von »Mitgliedern verfassungsfeindlicher Organisationen« im öffentlichen Dienst zu verhindern. Er zielte vor allem auf LehrerInnen und PostbeamtInnen mit DKP-Mitgliedschaft. Drei Millionen Menschen wurden überprüft, rund 10000 erhielten Berufsverbot. Seit 1979 wurde der Radikalenerlass nicht mehr angewandt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wertete das Berufsverbot 1995 als menschenrechtswidrig.