Ouvertüre

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Kaum unterdrückbare Zweifel plagten neulich nagenderweise die Gewissen der Redaktionsmitglieder - wieder einmal, so scheint‘s, waren wir die einzigen, die in dieser geistig unterkühlten Zeit über das anachronistisch anmutende Instrument der condition humaine verfügten. So wurde mit der notwendigen Radikalität und schonungslos gegenüber überkommenen Denk-Tabus schnell der Ursprung der inneren Unruhe skizziert: »Soll die philtrat zum hochsubventionierten Dinosaurier der studentischen Zentralorgane deevolutionieren; oder müssen nicht doch mutig neue Pfade beschritten werden?«, lautete die Frage. Ja - es war gegenüber einem aufgeklärten Publikum wirtschaftsethisch nicht mehr vertretbar, mit einem Erzeugnis aufzuwarten, dessen Produktionskonzept aus den tiefsten Abgründen pervertierter Betriebsratsphantasien zu stammen schien.

Die Wege aus der Misere konnten gar nicht drastisch genug sein - soviel war klar; die Stichworte ließen sich dabei in bewährter Weise den einschlägigen Diskussionsforen entnehmen: Das komplette Outsourcing der philtrat-Redaktion wurde ins Auge gefasst. Doch Halt! War diese Emigration nicht ein „unpatriotischer Akt«, wie Regierungssprecher Bela Anda die Pläne attackierte? In moralischen Fragen immer etwas verwirrt suchten wir Rat in der Wochenschrift Christ in der Gegenwart: »Für große Unternehmensgründer war Patriotismus selbstverständlich. Heute dagegen behauptet man, ohne Staat auszukommen, und betrachtet ›Vorleistungen des Staates‹ als ›eine Art Naturzustand‹. Das Sozialschmarotzertum auf hoher Ebene hat noch ganz andere Ausmaße als der Sozialhilfebetrug.« Ein Blick ins manager magazin beseitigte aber die Bedenken mit einem guten Tipp: Dubai - »Hier blüht der Handel, hier gibt es ein Lohnniveau, von dem osteuropäische Staaten nur träumen, hier herrschen Multikulti und westliche Eleganz - und man zahlt in Dubai absolut keine Steuern. Ein Schlaraffenland.«

Die Koffer waren schon gepackt, als uns dann doch noch ein Licht aufging: Als Sprachvirtuosen waren wir auf Gedeih und Verderb dem deutschen Idiom ausgeliefert - ein goldener Käfig, der die geplante betriebswirtschaftliche Innovation platzen ließ. L‘art pour l'art, dachten wir uns, und mit der Gewissheit, es wenigstens versucht zu haben, versank wieder in die heimische Hängematte:

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