»Es gibt keinen ›Deutsch-Rap‹«

Die Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia rappt seit 1989 gegen Rassismus und organisiert sich bei Kanak-Attak. Mit Deutsch-Rap will sie nicht in einen Topf geworfen werden. Von Tina Baare

Kutlu Yurtseven, genannt Asia, ist Mitglied der Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia. Für die philtrat sprach Tina Baare mit ihm über Politik und Musik, Kanak Attak und die Unmöglichkeit von Deutsch-Rap

Könntest Du Dich und Microphone Mafia erst mal vorstellen?

Ich bin Asia und Rapper in der Gruppe Microphone Mafia. Uns gibt es seit 1989. Damals haben wir nach einer Party in Köln-Flittard auf dem Marktplatz per Beatbox zu Texten von anderen gerappt. So ist die Idee entstanden, selbst Musik zu machen. Angefangen haben wir unter dem Namen TCA, das hieß Tough Cool Aces. Aus dem Namen wurde dann später, als wir in der politischen Szene aktiv wurden, Therapie Contra Animosität. Das hat genauso wenig zu der Zeit gepasst wie Tough Cool Aces. Also haben wir beschlossen, uns Microphone Mafia zu nennen: Zusammenhalten wie in der Mafia und als Waffe das Mikrofon. 1996 wurde dann das Album Vendetta veröffentlicht und 1998 das Album Microphonia. Im März erschien das Album Infernalia, zu dem es jetzt auch die Maxi gibt.

Inwiefern versteht Ihr Euch als politische Gruppe?

Wir sehen uns unter anderem auch augrund unseres Erscheinungsbilds als politische Gruppe an. Rap war damals ja sozusagen die Musik der Minderheiten - vor allem in Deutschland. In den Vereinigten Staaten waren die Schwarzen die Minderheit. Den Unterschied zwischen Bulgaren, Türken und Italienern gibt es dort allerdings nicht in vergleichbarem Maß. Wir haben uns deshalb am Anfang an Latinos und Puertoricanern orientiert. Einer unserer ersten Songs hieß Stop und richtete sich gegen Rassismus.

Politik bedeutet ja nicht nur, Wissen über Politik zu haben oder über deine Rechte informiert zu sein. Das muss man einfach daran messen, was du bewegen willst in der Gesellschaft. Wenn wir davon ausgehen, sind unsere Texte und unsere Musik die Politik, die wir betreiben. Nämlich Bildungspolitik, also in den Köpfen der Menschen was zu bilden und zu ändern. Deshalb sehe ich uns schon als sehr politisch an.

Ihr seid ja auch Teil von Kanak Attak. Was ist Kanak Attak und was ist dort Eure Rolle?

Kanak Attak ist ein Zusammenschluss von Migranten und Nichtmigranten, die zusammen ein Ziel verfolgen, nämlich die Rolle von Migranten in Deutschland aus ihrer eigenen Sicht darzustellen. Also nicht aus der Sicht von irgendwelchen Sozialarbeitern, die uns immer nur als Objekte gesehen haben. Wir erzählen über uns. Was wir erlebt haben, was unsere Eltern erlebt haben. Wir sind einfach der Meinung, dass es keinen gibt, der das besser erzählen kann als wir selber. Und mit »wir selber« meine ich auch Deutsche, die mit uns aufgewachsen sind. Wir brauchen keine Sozialarbeiter, die sagen: »Ach, der arme Ausländer!« So arm sind wir nicht, wir haben schon eine Position in Deutschland als Migranten und Migrantenkinder, und die wollen wir eben auch sehr selbständig und selbstsicher darstellen. Wir wollen weder als Lustobjekt für sozial Engagierte dienen, noch wollen wir sagen: »Ihr wollt uns nicht, jetzt antworten wir mit Gewalt.« Das ist Kanak Attak.

Angefangen hat das Ganze mit einer Einladung von Murat Güngör nach Frankfurt. Da waren Schriftsteller, Theaterschauspieler, Leute, die bei der taz gearbeitet haben, und auch Sozialarbeiter. Wir haben dann ein Tape von Murat G. mit einem Beat bekommen. Dazu wollten wir einen Rap machen. Damals waren Leute wie D-Flame noch mit dabei, die FFMC, Aziza A. und wir. Auf dem Treffen wurden wir über den Namen des Projekts informiert. Zunächst war niemand begeistert vom Namen Kanak Attak, weil wir uns einfach nicht als Kanaken definiert haben. Ich verstehe es immer noch nicht. Wenn wir innerhalb von Kanak Attak zueinander »Kanake« sagen, ist das in Ordnung. Aber weder will ich mich selbst Kanake nennen, noch will ich, dass andere mich Kanake nennen. Ich steh auch nicht auf das Argument, das die Schwarzen das auch machen, indem sie sich »Nigger« nennen. Geh mal zu Afrodeutschen und frag sie, was sie von dem Begriff halten. Aber das Projekt ist richtig gut. Das Projekt ist eine Offensive und was wirklich Positives. Deshalb werde ich auch immer dabei sein.

Woran liegt es, dass nur sehr wenige Frauen rappen und gesellschaftliche Diskriminierungsmechanismen, wie Sexismus und Homophobie, dem Hip-Hop nicht fremd sind, obwohl Hip-Hop ursprünglich eine emanzipatorische Bewegung war?

Wenn früher eine Frau auf die Bühne gegangen ist, kam als erstes von irgendwo: »Ausziehen!« Aber es gab auch damals Frauen wie Zora aus der Schweiz oder Cora E., die sich dagegen richtig gewehrt haben. Viele Frauen, die einmal auf der Bühne waren, oder aus Angst davor, dass so was passiert, erst gar nicht auf die Bühne gegangen sind, haben nicht diese Entwicklung gesehen, dass es auch Jams gibt, wo Frauen gerne gesehen sind. Das passiert ja jetzt immer mehr. Wir touren mit zwei Ladies durch Deutschland, es gibt Fever MC, immer noch Cora E., Brixx, und das wird sich auch immer weiter entwickeln.

Im Moment gibt es auch kaum Bands, die eine Frau mitnehmen, nur weil sie eine Frau ist. Das gibt es bei den ganzen Dance-Projekten: Hauptsache, du hast eine gutaussehende Frau. Das Problem ist, dass viele Frauen zu unsicher waren. Aber wenn es mal eine Frau geschafft hat, dann hat sie es richtig geschafft. Bei Männern geht jeder auf die Bühne. Jeder, der ein Jahr lang das Mikro in der Hand hatte, rappt. Aber die Frauen achten mehr darauf, ob sie gut sind, ob ihre Reime gut sind, und die Rapgesellschaft ist viel kritischer.

Eure Maxi, die ihr zusammen mit Pow Pow Movement rausgebracht habt, hat ja einen sehr interessanten Titel…

Combatto mundiale heißt sie, und wir werden öfter gefragt »warum denn Schlacht?« Wir wollten damit sagen, dass Rap einen Zusammenhalt bietet, es ist ein Gemeinschaftsprojekt, egal woher du kommst. In dem zweiten Part, den ich rappe, sind fünf Sprachen in einem Text. Indirekt ist es auch ein Bezug auf die Gesellschaft. Vor allem in Deutschland hörst du so viele Sprachen auf der Straße, und du sagst auch nicht: »Oh, guck mal , ein Türke!« oder: »Ein Italiener!« Du hörst es einfach, und du lebst damit. Manchen gefällt es, manchen gefällt es weniger, aber man lebt damit. Genauso ist auch Rap; also, ich kann nicht mit diesem Deutsch-Rap leben, ich kann aber genauso wenig mit Türkisch-Rap leben oder italienischem Rap, weil es einfach Rap ist. So wie es am Anfang war. Da hast du zum Beispiel Rapper aus New Jersey hier in Deutschland gehabt, die mit dir aufgetreten sind, und es war einfach scheißegal, woher sie kamen, sondern wichtig war, dass du zusammen mit ihnen gerockt hast. Das versuchen wir auf der Maxi auch darzustellen.

Du hast grad den Begriff »Deutsch-Rap« benutzt, wie ist denn diese Bezeichnung aufgekommen, und was soll sie bedeuten?

Es gibt keinen »Deutsch-Rap«. Wenn wir es unbedingt unterteilen müssen, dann vielleicht in »deutschsprachigen Rap«, aber es gibt keinen »Deutsch-Rap«. Die Deutschen haben einfach amerikanische Beats übernommen und rappen in deutscher Sprache; sie haben ja keinen eigenen Style erfunden. Ähnlich ist es mit Oriental-Rap. In Amerika benutzt jetzt ein Dr. Dre indische oder arabische Musik, und da kommt auch keiner an und sagt: »Dr. Dre macht jetzt Oriental-Rap!«.

Für Deutschland ist das typisch. Es gab die Neue Deutsche Welle, es gibt deutsche Volksmusik, deutsche Klassik, also muss es auch deutschen Rap geben. Die ganzen Migranten und Ausländer, die anfangs diese Entwicklung vorangetrieben haben, werden jetzt an den Rand gedrängt. Für uns werden Schubladen wie »Multikulti« und »Oriental« gemacht. Dieses Label erdrückt uns und ist falsch. »Türkischer« und »italienischer« Rap wurden in Deutschland erfunden: Dann sind wir auch »Deutsch-Rap«.

Der Begriff »Deutsch-Rap« kam von einigen Rappern, die es damals geschafft haben, sprich Fanta 4, auch Crews aus Köln, die dann anfingen mit neuer deutscher Reimachse, neuem deutschen Rap, neuer deutscher Reimkunst, und die meinten, Rap kommt aus dem deutschen Mittelstand. Das haben die Medien natürlich sofort gefressen, weil sie es ja lieben, Labels zu finden. Das ist für sie einfach, sie können dann kategorisieren. Es waren schon einige Rapper aus der Szene, die das dann verbreitet und diesen neuen »deutschen Rap« und Nationalstolz vorangetrieben haben.

Ich kann mich da an eine Situation erinnern. Da waren drei gutbürgerliche Kids, und vor denen haben Amerikaner gerappt, auf englisch, was sonst. Und dann standen die vor denen und haben gerufen: »Deutsch-Rap! Deutsch-Rap!«. Das war 1994. Seitdem hat sich ja alles noch krasser entwickelt. Es gibt jetzt Diskussionen, ob es einen Nazi-Rap gibt. Natürlich gibt es den! Wenn wir die jetzt als ein paar Spinner ignorieren, dann werden wir hinterher so ein Erlebnis wie ihm Ska haben, wo keiner mehr weiß, was rechts und was links ist, obwohl die Musik linke und jamaikanische Ursprünge hat. Deshalb sollte man da schon aufpassen.