Potpourri für Stimmenfang

Kölscher Slang, ein paar Generalisierungen: Die Sprache von Pro Köln heuchelt nur Interesse, soll aber vor allem Ressentiments schüren. Von Dagmar Hausmann

»Sozial-Missbrauch«, »ungebremste Masseneinwanderung«, »Drogenstrich« und »obskure Multi-Kulti-Projekte«: die »Bürgerbewegung« Pro Köln weiß, was faul ist in Staat und Kommune und wählt ihre Terminologie zum Zweck der Meinungsbildung ganz gezielt aus.

Als Veedels- und Volkspartei gibt Pro Köln sich gern - wo die Not des Bürgers am höchsten ist, will pro Köln Sprachrohr der Bevölkerung und ihrer Bedürfnisse sein und erhält »massive Zustimmung«. Merken Sie was? Ein bisschen Kölscher Slang, ein paar Generalisierungen und dazu ein paar Intensivierer - und schon sind wir eingekauft. Die konkreten Anlässe, zu denen sich Pro Köln zu Wort meldet, scheinen fast beliebig. Was als Interesse an den Problemen im »Veedel« daherkommt, ist letztlich dazu gut, rechte Positionen dauerhaft in der Diskussion zu halten und Ressentiments zu schüren. Die Basis liefert ein Potpourri aus lokalen Ereignissen, mit denen die Partei vor Ort auf Stimmenfang geht.

So zum Beispiel bei Unterschriftenaktionen und Demonstrationen gegen den geplanten Bau einer Moschee in Kalk, Mülheim, Chorweiler oder Leverkusen. Die Stadt Köln verschwende Ressourcen für das »Multi-Kulti-Prestigeobjekt«, während die »Anwohner wieder einmal mit ihren Problemen von der etablierten Politik alleingelassen« werden. Lerne: für ›die‹ ist Geld da - um ›uns‹ kümmert sich wie immer niemand. Und so passt die Argumentation hervorragend ins Klischee von den AsylbewerberInnen, die ›uns‹ die Arbeitsplätze wegnehmen und sich auf ›unsere‹ Kosten bereichern, obwohl sie nicht arbeiten dürfen und einen reduzierten Sozialhilfesatz erhalten.

Logisch, dass bei soviel Ungleichheit eins entsteht: »sozialer Sprengstoff«. Und weil die Terminologie solches ja hergibt, gleichermaßen von allein die Assoziation beflügelt, landen wir wo? Beim »11. September«. Waren ja auch Moslems. Und Sprengstoff. Und einer der Attentäter vom 11. September, der in einem islamischen Verein aktiv war, bereitete »in Hamburg (…) in einer Moschee den verbrecherischen Anschlag in New York vor«. Und weil wir KölnerInnen »wachsam sein« müssen, kommt uns ein solcher Hort des Terrorismus natürlich nicht vor die Haustür. Wir lernen weiter: Moscheen sind potenzielle Brutstätten des Terrorismus, hier tummeln sich »islamische Extremisten«, denn die »islamischen Verbände in Köln haben sich (…) bislang nicht glaubwürdig distanziert«. Und wenn sie das nicht tun, so steht hier implizit, werden sie wohl zumindest sympathisieren. Ergo: Wer sich nicht gegen den Bau der Moschee wendet, billigt förmlich, »dass mitten in Chorweiler möglicherweise ein extremistischer islamischer Stützpunkt (…) entsteht«. Womit der Anlass uns zum Thema führt: Ausländer - insbesondere Muslime - sind potenzielle Kriminelle, wenn nicht Terroristen; der Islam bedroht die ›freie Welt‹. Im Grundsatzpapier findet sich dazu alles, was das Herz begehrt: »Schein-Asylanten«, »Masseneinwanderung«, »überaus restriktive« Zuwanderungspolitik - die ganze Palette des rechten Jargons rauf und runter.

Angesichts solcher Argumentation mag manch einer auf die Idee kommen, Pro Köln als rechtsextrem zu bezeichnen. Solche »roten Randalierer« werfen aber auch schon mal einen Schweinekopf durch ein Fenster der Villa des durch seine Vergangenheit in verschiedenen rechtsextremen Parteien bekannten »Pro-Köln-Vertreters« Markus Beisicht. Ohne irgendwelche Hintergrundinformationen oder Beweise zu veröffentlichen, wird der Täter als »offensichtlicher Teilnehmer des ›Aufstandes der Anständigen‹« identifiziert. Zu diesem als ›Aufstand‹ betitelten Lippenbekenntnis hatte ja seinerzeit Bundeskanzler Schröder aufgerufen. Und über diese willkürliche terminologische Verquickung steht hier gleichsam die rot-grüne Bundesregierung im Hintergrund der Tat. Unterstützt wird die Politik durch die von ihr initiierte »Medienhetze gegen alles Patriotische«. Und hier geht's langsam ans Eingemachte: in einer Sendung des Senders Vox war die Pro-Köln-Vorsitzende als Neonazi bezeichnet worden. Prompt entdeckte Pro Köln in der Aufmachung des Beitrags »typische Verfälschungsmittel totalitärer Propaganda«. Mithilfe dieser an den Haaren herbeigezogenen Zuschreibung wird wenig später gleich die ganze Branche als »totalitär-kapitalistische-Medien-Macht« diffamiert. Um den Eindruck noch zu verstärken, werden an anderer Stelle die Kölner Medien als samt und sonders »gleichgeschaltet« bezeichnet. Hier kann die Wortwahl kaum noch Zufall sein, nein: hier soll zwischen den Zeilen ein bestimmter Eindruck erweckt werden: Patrioten werden verfolgt - vom diktatorischen Staat und den Medien, die er kontrolliert. Die Patrioten werden als Nazis verunglimpft, dabei ist's doch genau andersrum: Extremistisch und totalitär sind - die anderen.

Durch die Art der Darstellung, das Spiel mit Konnotationen und gebräuchliche rhetorische Kniffe soll verbrämt werden, wessen Geistes Kind Pro Köln denn ist. Die Aktivitäten im »Veedel« und die selbstgeschriebene Rolle als Sprachrohr besorgter BürgerInnen - die ohne die aufstachelnden Aktionen womöglich so besorgt gar nicht wären - tun ein übriges, um pro Köln zumindest in den Vorstadtwohnzimmern salonfähig zu machen. Auch an der Kölner Universität will Pro Köln nun mit seinem Hochschulableger Plattform demokratischer Studenten (pdst) einen Fuß in die Tür bekommen. Praktisch, dass die Pro-Köln-Vorsitzende Judith Wolter Studentin an der Universität ist, so konnte sie auch gleich den Vorsitz der pdst übernehmen. 2001 gründete sich die Gruppe kurz vor den StudentInnenparlamentswahlen, trat aber nicht zu ihnen an. Jetzt wird sich das wohl ändern: auf ihren Internetseiten kündigt die Gruppe an, »im Rahmen der studentischen Selbstverwaltung an der politischen Entwicklung ihrer Hochschule mitwirken zu wollen (…) in Fachschaften, im Studentenparlament und dem (…) AStA«. Die Texte, obwohl oberflächlich gemäßigter gehalten als die der Mutterpartei, sind gestopft voller Vieldeutigkeiten, Anspielungen, nationaler Plattitüden über Völkerfreiheit und Distanzierung von Gewalt im politischen Diskurs. Ob die pdst es überhaupt hätte schaffen können, in Gremien der studentischen Selbstverwaltung hineingewählt zu werden, bleibt zweifelhaft. Angetreten ist sie entgegen ihren vollmundigen Ankündigungen auch in diesem Jahr nicht. Vermutlich war das Risiko, eine Schlappe einzufahren, von der sich die Gruppe nicht mehr erholt, einfach zu groß, als dass die Damen und Herren der pdst es hätten in Kauf nehmen wollen.

In jedem Fall aber ist es dringend geboten, Position zu beziehen gegen die neuen alten nationalen Töne. Oder, um es mit den Worten von Pro Köln zu sagen: wir müssen wachsam sein - auch an der Hochschule.

Die als Zitate gekennzeichneten Passagen sind den Internetseiten von Pro Köln und der pdst entnommen, abgerufen am 7. November 2002.