Ouvertüre

Von

Es ist Streik, werte Leserinnen und Leser! Da will auch die Redaktion Ihrer Leib- und Magenzeitung nicht zurück stehen, sondern sich vielmehr mit Verve ins Getümmel stürzen.

Freilich sind Demonstrationen an regenfeuchten Abenden unsere Sache nicht. Das gebietet die journalistische Sorgfaltspflicht ebenso wie jene gegenüber unserer neuerworbenen Garderobe. Und so schreiten wir zur Planung unserer ganz eigenen fantasievollen Aktion. Bringen die drohend am Horizont sich auftürmenden Gebühren nicht die studentische Multitude an den Bettelstab? Wird nicht das Studium somit zur Angelegenheit der Reichen? Derer mit Haus, Auto, Schiff und tausend Plateauschuhen im Schrank? Solche Fragen werden von uns nimmermüden kritischen Geistern ganz konkret gestellt.

Konkreter wird auch unsere Manifestation. Denn wie verbringen die Reichen den lieben langen Tag? Mit schlemmen! Und so finden wir uns eines schönen Abends beim teuersten Franzosen der Stadt ein, ketten das Redaktionsfaktotum unter dem Tisch an und machen uns ernsten Blickes an die politische Tagesaufgabe.

Schade, werte Leserinnen und Leser, dass Sie nicht dabei sein konnten. Denn die gedünsteten Schnecken waren ebenso vorzüglich wie die Gänseleberpastete und die Bouillabaisse. Der Coq au vin hätte besser nicht sein können und das Boeuf Bourguignon: ein Gedicht! Nur die Trüffel waren etwas fad.

Dafür fließen die exquisiten Weine in Strömen, der Champagner perlt, und Diskursperlen tropfen während der gepflegten Konversation von unseren Lippen. Der Alterspräsident kippt einen Pastis nach dem nächsten und räsoniert über die Streiks von anno dazumal. Das Redaktionsküken will partout nicht vom 42er Château Lafite Rothschild lassen, und als wir dem Kellner schließlich über den uns bevorstehenden sozialen Abstieg in Kenntnis setzten, gibt der sogar eine Extrarunde Cognac aus. Für die Franzosen ist Solidarität eben nicht nur ein Wort.

Nur noch die Rechnung aus der Portokasse bezahlt und gutgelaunt verlassen wir das Lokal. Die Marseillaise singend bewegen wir uns heim und sind uns einig: Diese gelungene Aktion muss die Bourgeoisie erst mal ebenso verdauen wie wir. Ach!, könnte doch öfter Streik sein!

Die Redaktion