Nicht nur die Gebrüder Sass...

Von Susanne Krauß

...sondern vielfältige Portraits von berühmten und weniger berühmten BankräuberInnen präsentiert der Sammelband Vabanque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte neben grundsätzlichen Überlegungen zu Geschichte, Theorie, Ökonomie, Technik, Geographie und kultureller Verarbeitung der Umverteilung des Bankkapitals durch Raub.

Der Herausgeber Klaus Schönberger vergleicht zwei kollektive Phantasien der kapitalistischen Gesellschaft mit dem Ergebnis, dass »im Gegensatz zum Warten auf den Lottogewinn, das zur Passivität verdammt, der Bankraub einen zwar gefährlichen und nicht immer von Erfolg gekrönten, aber immerhin im Rahmen des persönlichen Möglichkeitshorizonts gangbaren Weg darstellt, Elend, Armut oder Geldprobleme zu überwinden«. Entsprechend macht der allgemeine Traum vom Ausbruch aus dem Alltag erfolgreiche BankräuberInnen zu bewunderten Identifikationsfiguren und Projektionsflächen.

Ausgehend von der statistischen Erkenntnis, dass Bankraub eine Domäne der Männer ist, analysiert die Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Franziska Roller, wie die Öffentlichkeit mit Frauen umgeht, die sich weder an die Spielregeln des Staates noch an die ihres Geschlechts halten: Sie werden zu Zigarren rauchenden Mannweibern, sexuell abhängigen Gangsterliebchen oder verzweifelten Müttern in Notlage stilisiert. Nur wenige Frauen setzen sich über die das weibliche Selbstbild prägenden verinnerlichten Rollenerwartungen der Gesellschaft hinweg und überfallen Geldinstitute.

Von den besonders phantasievollen Umverteilungs- und Enteignungsaktionen der Tupamaros, die sich als Polizisten verkleideten und GenossInnen als Angestellte einschleusten, um sich Zutritt zu Banken zu verschaffen, erzählen Theo Bruns, Gert Eisenbürger und Gaby Küppers. Die von der uruguayanischen Stadtguerilla gelegentlich erbeuteten Unterlagen über Schwarzgeldgeschäfte wurden veröffentlicht. Der Beitrag droht allerdings gelegentlich in die Gattung Revolutionsromantik abzurutschen, wenn beispielsweise geschildert wird, wie das Geld ausschließlich für die Sache und niemals für den privaten Konsum verwendet wurde, oder wie den besorgten Putzfrauen der Bank erläutert wurde, die Überfälle geschähen im Interesse des Volkes.

Auch die Bewegung 2. Juni war um das Wohlergehen der unfreiwillig an Banküberfällen Beteiligten so besorgt, dass während zweier Banküberfälle im Sommer 1975 den KundInnen und Angestellten revolutionäre »Negerküsse« angeboten wurden, um deren Stress zu vermindern. Zugegriffen hat aber niemand - naschen war in der Situation nicht das primäre Bedürfnis.

Mit der endlosen Sisyphusarbeit der Entenhausener Panzerknacker setzt sich der Kunsthistoriker Gerd Dieterich auseinander. Nachdem er eine These der Sechziger- und Siebzigerjahre, dass nämlich die Panzerknacker mit der Enteignung der KapitalistInnen in vorbildlicher Weise ernst machten, als politischen Rechtfertigungsversuch für die Lektüre von Disney-Comics entlarvt hat, zeigt er auf, inwieweit gerade das dauerhafte Scheitern der Bande als »Glorifizierung des sogenannten American way of life« gelesen werden muss.

Den Stellenwert des Bankraubs im Kriminalroman als weiterer Gattung der Populärkultur beschreibt der Literaturkritiker Ralph Winkle als marginal, da es dort in der Haupthandlung in der Regel um die Aufklärung eines oder mehrerer Morde geht, die durch die Suche nach dem Motiv innerhalb einer geschlossenen Gruppe vorangetrieben wird.

In fünfzig Beiträgen unterschiedlicher Länge und Qualität bietet Va banque der Leserin und dem Leser ein Potpourri unterhaltsamer Anekdoten, Tipps und Tricks für die eigene BankräuberInnenkarriere, Zweifel an der geistigen Gesundheit von KriminalpsychologInnen und JournalistInnen und somit kurzweilige Stunden. Ein empfehlenswertes Vergnügen, obwohl die ökonomischen Analysen zum Vulgärmarxismus tendieren. Der Band ist darüber hinaus mit zahlreichen Abbildungen und einem innovativen Layout sehr ansprechend gestaltet.

Klaus Schönberger (Hrsg.): Vabanque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte, Verlag Libertäre Assoziation, Hamburg 2001, 17,38 Euro.