Ist das Kunst?!

Das Museum Ludwig bildet jedes Jahr etwa 30 Studierende zu KunstexpertInnen aus. Bei der »Jungen Nacht« präsentieren sie die Kunstwerke und diskutieren mit den BesucherInnen über den Sinn und Unsinn von Kunst. Im Anschluss steigt eine Party im Museum. Von David Fesser

»Was soll das?«, »Was ist das?« oder »Warum ist das Kunst?« - diese oder ähnliche Fragen gehen dem einen oder der anderen sicherlich durch den Kopf, wenn er oder sie durch ein Museum mit moderner Kunst läuft. Viele der Werke sind alles andere als leicht zu verstehen und darum bildet sich bei so manchen BesucherInnen schnell ein großes Fragezeichen auf der Stirn. Wäre es nicht schön, wenn man alle seine Fragen direkt im Museum loswerden könnte? Genau das selbe muss sich wohl auch der Museumsdienst im Museum Ludwig gedacht haben und rief deshalb im Jahr 2003 die »Kunst:dialoge« ins Leben, ein Kunstvermittlungsprogramm für moderne und zeitgenössische Kunst, bei dem der Name Programm ist.

Seitdem bildet das Museum Ludwig in Köln jedes Jahr rund 30 Studierende der Kunstgeschichte oder fachverwandter Fächer zu KunstvermittlungsexpertInnen aus, die dann - anders als bei normalen Führungen - den MuseumsbesucherInnen die Kunstwerke in persönlichen Gesprächen nahebringen - eben nach dem Dialog-Prinzip. Diese Ausbildung zum/r Kunstvermittler/in dauert etwa vier Monate und findet während des Semesters im Museum Ludwig statt. Die Freiwilligen verteilen sich dabei auf mehrere Tutorien zu den Sammlungsschwerpunkten des Museums, wie etwa Pop Art, Picasso oder der Sammlung Haubrich und erhalten dort von erfahrenen KunstvermittlerInnen ein besonderes Training, um schließlich an nur einem einzigen Abend das zuvor gelernte Wissen anzuwenden, nämlich bei der »Jungen Nacht«. Dieses großangelegte Ereignis, bei dem sich das Team der »Kunstdialögler« im ganzen Museum vor den selbstgewählten Kunstwerken verteilt, um sie mit den BesucherInnen zu besprechen, findet einmal jährlich statt. Im Anschluss gibt es dann jedes Jahr eine Party.

So auch in diesem Jahr am 1. März, wo die Junge Nacht zum mittlerweile 9. Mal stattgefunden hat. Wieder einmal kamen hunderte von kunstbegeisterten BesucherInnen ins Kölner Museum Ludwig, um an den Gesprächen teilzunehmen und etwas über die Kunstwerke zu erfahren. Das Projekt lohnt sich jedoch nicht nur für das Museum und für die kunstinteressierten BesucherInnen, sondern auch für die Studierenden, denn sie bekommen durch die Kunst:dialoge und vor allem durch das monatelange Dialog-Training im Museum die Möglichkeit, erste berufliche Erfahrungen im Bereich der Kunstvermittlung zu sammeln. Dabei erhalten sie auch Einbli­cke in den Museumsbetrieb, lernen die MitarbeiterInnen des Museums kennen und erfahren etwas über die Infrastrukturen innerhalb des Museums.

Für den einen oder die andere ergab sich die Arbeit als »Kunstdialögler« auch als Sprungbrett, wie etwa für Julia Krings und Tobias Peper, die früher selbst einmal die Ausbildung mitgemacht haben und heute gemeinsam das Pop Art-Tutorium leiten. Auf die Frage, was sie durch die Ausbildung bei den Kunst:dialogen mitgenommen hat antwortet Krings: »So einiges! In unterschiedlichen Workshops werden etwa rhetorische Fähigkeiten, Atemtechnik, Körpersprache und -einsatz geübt.« Durch ein professionelles Theatertraining mit der Schauspielerin und Schauspieltrainerin Frederieke Bohr haben die Studierenden auch in diesem Jahr an insgesamt drei Sonntagen Tipps und Tricks gezeigt bekommen, wie man beispielsweise seine Nervosität in den Griff kriegen kann. »Was man mitnimmt sind sicherlich souveräneres Auftreten während eines Gesprächs mit Fremden, Vermittlungskompetenzen, Wissen und die Erkenntnis, dass Kunst nichts Erhabenes ist, was nur einem kleinen Kreis zugänglich ist, sondern dass Kunst Teil unseres Lebens ist und als solche jedem Betrachter wertvolle Ideen und Impulse geben kann«, sagt Peper.

Wichtig ist dabei auch das Prinzip des »Peer-to-peer«, welches die Wissensvermittlung auf Augenhöhe bezeichnet - sprich: innerhalb derselben Generationen werden in direkten Gesprächen Fragen zur Kunst diskutiert. Zum einen werden dabei Hemmschwellen abgebaut, zum anderen geht es vielmehr darum, gemeinsam persönliche Zugänge zur Kunst zu entdecken, als nur um die reine Wissensvermittlung. Außerdem soll das Museum dadurch als ein lebendiger Ort mit Bezug zum alltäglichen Leben wahrgenommen werden. Die Studierenden profitieren darüber hinaus sehr von den vielen Übungen vor »echten« MuseumsbesucherInnen - zum Beispiel, wenn sie das nächste mal eine Präsentation in der Uni halten müssen, aber auch insgesamt werden die StudentInnen diskutierfreudiger - gerade wenn es um die Kunst geht.

Das kann auch Julia Krings bestätigen, die beobachtet hat, dass anfangs schüchterne Charaktere sich im Laufe der Zeit mehr einbringen oder lernen sich besser auszudrücken. Doch auch Krings selbst profitiert von ihrer Arbeit als Tutorin: »Jedes Mal ist ein Tutorium ganz anders als das vorige.«, sagt sie, »Die Gespräche über Kunst sind oft auch Gespräche über Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen - das alles bereichert mich unheimlich in meinem Denken über Kunst und die Gesellschaft, in der ich lebe. Außerdem lerne ich jedes Mal sehr nette Menschen kennen, die doch häufig verschiedene Hintergründe haben. Mit ihnen über Kunst zu diskutieren heißt, über das Leben zu diskutieren. Das ist großartig!«

Die Junge Nacht ist schließlich so etwas wie das Finale der »Kunst:dialoge«-Ausbildung. Von 19 bis 23 Uhr stehen die Studierenden vor »ihren« Kunstwerken und beantworten Fragen von »'Wo bitte geht es zur Toilette?' über 'Darf ich das anfassen?' und 'Wie teuer ist das?' bis hin zu 'Was sagen Sie eigentlich zur letzten Veröffentlichung von XY zum Thema Z?'«, so Krings. Etwa vier Stunden lang heißt es während der Jungen Nacht für die »Kunstdialögler« den BesucherInnen Rede und Antwort zu stehen. Und was geschieht danach? Die Studierenden können nach ihrer bestandenen »Feuerprobe«, wie Julia Krings die Junge Nacht nennt, zu weiteren Terminen des Museum Ludwig gebucht werden. »Die Dialoge finden regelmäßig statt, sowohl im öffentlichen Rahmen - langer Donnerstag, lange Nacht, Museumsfest etc. - als auch im geschlossenen Rahmen, wenn beispielsweise Sponsoren die Möglichkeit bekommen, eine Ausstellung abseits der regulären Öffnungszeiten zu sehen.«, sagt Tobias Peper. Die Junge Nacht ist also erst der Anfang im Kampf gegen die Stille im Museum!