Paradies zu verkaufen

In Traumland zeigt sich Island von seiner Aluminiumseite Von Sebastian Grote

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Die IsländerInnen gehören zu den glücklichsten und wohlhabendsten Menschen der Welt. Dennoch leiden viele PolitikerInnen seit Generationen an einem Minderwertigkeitskomplex. Zu lange musste ihr Volk in grasbedeckten Hütten wohnen und vom Fischfang leben. Die USA, die im Kalten Krieg eine Militärbasis auf Island errichten wollten, kamen ihnen deshalb gelegen. Sie brachten Arbeitsplätze und Fernsehgeräte. Dass ihre Insel dabei ein potentielles Ziel für russische Atombomben wurde, nahmen sie als Opfer für den Fortschritt hin. Bloß keine grasbedeckten Hütten mehr! Nun ist der Kalte Krieg vorbei, die AmerikanerInnen sind nach Hause gegangen und der Wohlstand muss erneut gerettet werden.

Dieses Mal ist es die Aluminiumindustrie, die mit günstigen Energiepreisen ins Land gelockt werden soll. Island ist nicht allein ein Paradies für Touristen, die sich an seiner gewaltigen Landschaft erfreuen. Die aktiven Vulkane, Geysire und reißenden Ströme stehen auch für 30 Terawattstunden, von denen die Isländer nur einen Bruchteil benötigen. 30 Terawattstunden, die zur Produktion von Alufolie und Bierdosen dienen sollen. »Grüne Energie«, die aber nur durch eine kaum vorstellbare Naturzerstörung erschlossen werden kann.

Andri Snær Magnason rechnet in Traumland mit der isländischen Regierung ab, die den Ausverkauf des Landes an die Schwerindustrie propagiert. Durch gut recherchierte Fakten überzeugt er die LeserInnen von dem Größenwahn der VisionärInnen. Mit mitreißenden Worten kämpft er für den Erhalt der isländischen Natur. Magnason belässt es allerdings nicht bei der Ökokritik. So betont er auch die Gefahr, sich von einem einzigen Wirtschaftszweig abhängig zu machen. Spätestens hier gelingt ihm dann auch der Blick über seine Insel hinaus. Island ist nämlich bei Weitem nicht das einzige bedrohte Traumland der Welt.