Ein Akkuschrauber surrt, es riecht nach Kleber und Holzspänen, im Hintergrund dröhnt eine Schleifmaschine. In dem wohnzimmergroßen Werkraum sitzen drei junge Männer um eine Tischgruppe und schrauben an Metallteilen. An den Wänden hängen sorgfältig aufgereiht Schraubendreher, Zangen und Ringschlüssel, in Regalen drängen sich Holzreste und größeres Gerät. Dennoch wirken die drei Zimmer der Werkstatt mit ihrem Teppichboden und den hier und da hervorlugenden handgefertigten Werkstücken aus Holz, Stoff und Papier mehr wie ein gemütlicher Jugendtreff als Papas Garagenwerkbank.
Es ist Freitagabend, genannt Bastelnachmittag, in der Dingfabrik, einer offenen Werkstatt in der stillgelegten Gasmotorenfabrik nahe den Deutzer Messehallen. Leute trudeln ein und beginnen den Abend mit einem Schwätzchen und einem Getränk aus dem vereinseigenen Kühlschrank, während andere bereits mit dem Handwerken loslegen. An einer Arbeitsfläche steht Denise Amaral Anders und zeichnet den Umriss eines Tukans auf ein Stück Holz. Daraus soll später eine Kindergarderobe werden. Die 29-jährige Sozialpädagogin kommt seit einigen Monaten regelmäßig in die Dingfabrik. »Ich habe einen Ort gesucht, an dem ich werkeln kann«, sagt sie. Zuhause in ihrer kleinen Wohnung ist das kaum möglich - zu wenig Platz, zu viel Schweinerei, und der knapp zweijährige Sohn, der zwischen Sägeblättern herumtappt. Ein Freund erzählte ihr von der Dingfabrik, die jeden Freitagabend zum Bauen und Basteln einlädt.
Gut ein Jahr ist es her, dass Alexander Speckmann zusammen mit anderen handwerklich und technisch Interessierten aus dem Umfeld des Coworking Space in der Gasmotorenfabrik ein erstes Treffen veranstaltete. Erst wollten sie nur eine Online-Karte mit Informationen erstellen. »Aber dann kam der Vorschlag: Warum machen wir es nicht einfach selbst?«, erzählt Speckmann, der Maschinenbau studiert. Gemeint war ein Ort, an dem sie ihre Vorstellungen verwirklichen und sich austauschen können. 14 Tage später stand die Satzung des Dingfabrik e.V. Heute hat der Verein 42 Mitglieder, die gegen einen geringen Monatsbeitrag die Werkstatt jederzeit nutzen können. Dazu kommen etwa 50 regelmäßige NutzerInnen des offenen Termins.
Das Konzept der Dingfabrik geht auf die Idee des FabLabs zurück. In einem solchen »fabrication laboratory« können Privatpersonen einzelne Konsumgüter selbst herstellen, auch wenn dazu High-Tech-Produktionsmittel nötig sind. Das erste FabLab wurde 2002 am renommierten Massachusetts Institute of Technology eingerichtet mit dem Ziel »to make (almost) everything«. Eine revolutionäre Idee in einem Zeitalter, in dem Individuen von globalisierter Massenproduktion abhängig sind. Auch die Kölner Dingfabrik verfügt über High-Tech-Geräte wie eine computergesteuerte Fräsmaschine, einen Folienplotter (etwa für T-Shirt-Aufdrucke) und sogar einen selbstgebauten 3D-Drucker: Schicht für Schicht lassen sich damit Kunststoffobjekte nach einem individuell programmierbaren Bauplan fabrizieren.
Doch die Dingfabrik ist nicht nur ein Treffpunkt für Nerds, betont Alex Speckmann. »Die Dingfabrik ist für jeden geeignet, der etwas reparieren, basteln oder bauen will. Man findet hier Inspiration und Hilfestellung.« Der Verein fördert sowohl moderne Technologien als auch traditionelles Handwerk und Handarbeit. Der Kern seiner Philosophie laut Speckmann: »Häng nicht nur vor der Glotze ab, sondern mach was selber!«
Denise Amaral Anders hat mittlerweile ihren Tukan ausgesägt und ist dabei, die Ränder des Holzes abzuschleifen. Ihre Kindergarderoben sind im Bekanntenkreis so beliebt, dass sie sie nun auch verkaufen will. In erster Linie zählt für sie jedoch die Freude am Handwerk. »Etwas machen, produktiv sein, ein Ergebnis sehen, das finde ich toll.« Wie technisch ausgefeilt das Ergebnis ist, ist zweitrangig. »Egal wer was macht, es wird alles anerkannt. Nach dem Motto: Wer macht, hat Recht!«