Veggie-Döner macht schöner

In zwei Kölner Hochschulmensen gibt es seit neuestem vegane Gerichte, ebenso in einigen anderen deutschen Mensen. Immer mehr Publikationen nennen Gründe für ein Leben ohne Tierprodukte. Trend oder nachhaltige Entwicklung? Von Johanna Böttges

So viel positives Feedback auf eine Neuerung im Speiseplan gab es noch nie. Der Küchenleiter der Kölner Uni-Mensa Joachim Gerigk ist zufrieden. Seit April gibt es dort neben zwei vegetarischen Gerichten täglich ein veganes Essen: frei von tierischen Bestandteilen wie Milch, Ei oder Gelatine.

»Das wurde immer mehr verlangt«, begründet er den Schritt. E-Mail-Anfragen Studierender brachten ihn darauf, im Internet nach veganen Rezepten und Produkten zu recherchieren. Die verblüffende Erkenntnis: Viele Speisen in der Mensa waren bereits vegan - nur waren sie nicht entsprechend gekennzeichnet. Andere ersetzte Gerigk durch neue Gerichte. Zur Unterstützung lud er den veganen Profikoch Björn Moschinski zu einer Kochschulung ein. Schon im Juni zeigte der Vorstoß der Uni-Mensa Signalwirkung: Auch die Mensa in der Robert-Koch-Straße serviert nun zweimal wöchentlich vegan.

Zuvor hatte sich die Hochschulgruppe Campus:Grün gemeinsam mit anderen Studierenden für ein veganes Angebot eingesetzt. »Wir wollen in keinster Weise Menschen in ihrer Ernährung einschränken«, sagt Thomas Heise (Campus:Grün), der heute Ökologiereferent im Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (AStA) ist. »Aber vegane Ernährung ist leidvermeidend für die Tiere und gleichzeitig eine klimafreundliche Alternative.« Zudem seien zuvor Menschen ausgeschlossen gewesen, die sich vegan ernähren, obwohl sie das Mensaessen über ihre Semesterbeiträge mitfinanzierten.

Die Kölner Mensen gehen offenbar mit der Zeit. Die überregionale Initiative Vegane Mensa, die mit Tipps und Materialien lokale AktivistInnen unterstützt, zählt deutschlandweit mehr als 25 Hochschulmensen mit explizit veganem Angebot. Nicht alle gehen so weit wie die Kölner Uni-Mensa. Die Kasseler Zentralmensa etwa kocht nur ein- bis zweimal pro Woche vegan, in Bochum verkaufen die Cafeterien vegane Snacks. An den Mensen des Studentenwerks Essen-Duisburg können sich Studierende darauf verlassen, dass alle Beilagen tierproduktfrei sind. Doch so zaghaft manche Veränderungen auch sind: Der Erfolg gibt ihnen Recht. In der Kölner Uni-Mensa gingen seit der Einführung täglich mehr als 600 vegane Essen über die Theke - ein Zehntel des Gesamtangebots.

Der Kölner Küchenleiter Gerigk ist sich sicher: »Es gibt auf jeden Fall einen Trend.« Noch bis vor wenigen Jahren galt eine vegane Lebensweise, die sich in der Regel auch auf andere Lebensbereiche wie Kleidung oder Haushalt erstreckt, vielen als ein anarchistischer Verweigerungsgestus gesellschaftlicher AußenseiterInnen. Mit dem Aufklärungsbuch Tiere essen (Kiepenheuer & Witsch) brachte 2009 der U.S.-amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer das Thema in die Wohnzimmer bürgerlicher Intellektueller. Es folgte eine Entwicklung, die man als (mediale) Popularisierung beschreiben kann: Mit der deutschen Schriftstellerin und Ex-Taxifahrerin Karen Duve testete ein volksnaher Fast-Food-Fan die vegane Ernährungsweise im Selbstversuch (Anständig essen, Galiani 2010). Jugendzeitschriften wie Bravo-Girl und Dein Spiegel publizierten - durchaus nicht ablehnend - über vegane und vegetarische Ernährung. Mit dem Berliner Restaurant La Mano Verde schaffte es 2009 erstmals ein veganes Restaurant in den renommierten Der Feinschmecker Restaurant-Guide. Und im Juli titelte das Hochglanzblatt Maxi: »Warum die wirklich coolen Leute jetzt vegan leben«.

Von einem Veganismus-Trend will Erik Puchert lieber nicht sprechen. »Ein Trend ist ja etwas Kurzfristiges, eine Mode.« Der Kaffee-Barista und Inhaber der »milchfreien Caffèbar« Signor Verde lebt seit sechs Jahren vegan. Er beobachtet vielmehr eine nachhaltige Entwicklung hin zu mehr Aufgeschlossenheit gegenüber einer veganen Lebensweise. »Die Menschen sind offener und neugieriger geworden, was das betrifft. Es schreckt nicht mehr so sehr ab wie vor zwei Jahren.«

Etwa so lange ist es her, dass Puchert in der Nähe des Neumarkts sein veganes Café eröffnete. Bis auf die Speisekarte und ein kleines Bücherregal mit einschlägiger Literatur unterscheidet sich das Eckcafé nicht von anderen: Gemütliche Einrichtung mit viel Grün und Holz dazu eine Serie Kunstfotografien an den Wänden und Sonnenterrasse. »Hier soll es so normal wie möglich sein«, sagt Puchert. »Ein ganz normaler Laden, aber alles vegan.«

Sein Konzept funktioniert. Der vegane »Dönerstag« war zeitweise so beliebt, dass die hausgemachten Veggie-Döner binnen weniger Stunden ausverkauft waren. Das Publikum des Signor Verde ist bunt gemischt: SchülerInnen, junge Paare, Studierende mit Laptop, Muttis mit Babies und die Männer von der Müllabfuhr verbringen hier ihre Mittagspause. Nicht alle von ihnen sind VeganerInnen. Die einen kämen gezielt, um das vegane Angebot zu nutzen, erklärt Puchert. Andere hätten einfach Lust, mal etwas Neues zu probieren.

Studien darüber, wie viele Menschen sich derzeit in Deutschland vegan ernähren, gibt es nicht. Der Vegetarierbund Deutschland führt verschiedene Umfragen aus dem Jahr 2006 an, nach denen sich etwa ein Zehntel der Bevölkerung fleischlos ernährt. Der Vergleich mit älteren Studien legt nahe, dass die Tendenz langfristig steigt. Gründe dafür gibt es viele: Lebensmittelskandale, ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein, die Auswirkungen der industriellen Massentierproduktion auf Umwelt und Klima sowie den ethischen Anspruch, Tieren ein unversehrtes Leben zu gewähren.

Erik Puchert vom Signor Verde sieht Veganismus als Teil eines umfassenden Konzepts, der zwar nicht alle Probleme lösen kann, aber viel bewirkt. Er setzt auf die Überzeugungskraft des Genusses: »Wenn wir das hinkriegen, dass die Leute 'vegan' mit 'lecker' verbinden und nicht mit 'schlimm', dann haben wir schon ganz viel erreicht.«