Ärger im Weißkittelparadies

FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler will das Medizinstudium leichter zugänglich machen. Die Studierenden sind davon nicht begeistert, sie fordern mehr Studienplätze. Von Julia Groth

Die sonst so heile Welt der Medizinstudierenden wird derzeit ordentlich durchgeschüttelt. Schuld daran ist Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP): Er kündigte vor kurzem an, den Numerus Clausus (NC) für das Medizinstudium abschaffen zu wollen. Damit will Rösler dem MedizinerInnenmangel entgegenwirken, der insbesondere in ländlichen Regionen droht, wenn in den kommenden Jahren viele Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand gehen.

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) ist davon nicht begeistert. Während insbesondere Geisteswissenschaftsstudierende immer wieder fordern, Zulassungsbeschränkungen generell abzuschaffen, scheinen sich Medizinstudierende mit aller Kraft an den NC klammern zu wollen.

Die Argumentation der BVMD: Würde der NC abgeschafft, könnten trotzdem nicht mehr InteressentInnen als zuvor ein Medizinstudium beginnen, weil durch die Abschaffung keineswegs mehr Studienplätze zur Verfügung stünden. »Der NC ist immer nur ein Auswahlverfahren, um die ohnehin wenigen Plätze in der Medizin zu besetzen«, sagt Daniela Kampmeyer, Bundeskoordinatorin der AG Medizinische Ausbildung in der BVMD. Falle der NC weg, müssten die Hochschulen den Zugang zu den Medizin-Studienplätzen eben mit anderen Mitteln beschränken. Und diese Mittel seien im Zweifel eher schlechter als die herkömmliche Zulassungsbeschränkung. »Der NC ist ein Instrument, das für die Fakultäten recht wenig Aufwand mit sich bringt«, sagt Kampmeyer. »Zudem korreliert er zumindest ein wenig mit dem späteren Studienerfolg.« Um die Zahl der Medizinstudierenden zu erhöhen, müssten erst einmal mehr Studienplätze geschaffen werden.

Das mag stimmen. Diese Argumentation hat allerdings eine Schwäche: Um mehr Studienplätze zu schaffen, müssten die Bundesländer mehr Geld für DozentInnen und Ausstattung springen lassen. Solange Medizin-Studiengänge wegen der strengen Zulassungsbeschränkung keine Kapazitätsprobleme haben, dürften die Länder aber keinen Grund dafür sehen, mehr Studienplätze zu finanzieren.

Die BVMD versucht derzeit, die Diskussion über die Zulassungsbeschränkungen für Medizin von der Diskussion über den zu erwartenden Mangel an Landärztinnen und -ärzten abzukoppeln. Sie weist etwa darauf hin, dass eine höhere Zahl an Medizin-AbsolventInnen nicht gleichbedeutend ist mit einer höheren Zahl an Ärztinnen und Ärzten auf dem Land. Der Mangel dort habe andere Ursachen als die relativ geringe Zahl der AbsolventInnen. Sich als Landarzt oder -ärztin selbstständig zu machen gilt etwa als finanziell besonders riskant. In einer ländlichen Region zu arbeiten ist zudem in der Regel deutlich anstrengender als ein Job in der Stadt: Die Notfallbezirke sind größer, die Anfahrtswege für Hausbesuche weiter. Für viele AbsolventInnen sprechen überdies persönliche Gründe dagegen, etwa der Mangel an Ausgehmöglichkeiten.

Röslers zweite Idee für eine Reform des Zugangs zum Medizinstudium dürfte da nicht viel helfen. Er plant offenbar, eine »Landarztquote« einzuführen: Wer sich dazu verpflichtet, nach Ende des Medizinstudiums einige Jahre als Arzt oder Ärztin auf dem Land zu arbeiten, soll bevorzugt einen Studienplatz bekommen. Quatsch, sagt die BVMD. Schon allein deshalb, weil sich niemand mehrere Jahre im Voraus darauf festlegen will, nach Studienende nicht beispielsweise nach Berlin oder Hamburg zu gehen, sondern nach Bad Bederkesa oder Nußloch.