Ein Vertrag mit Gott: Blick hinter den Vorhang

Von Julia Groth

Der Carlsen-Verlag drückt seit einiger Zeit immer mehr seiner Comics den Stempel »Graphic Novel« auf. Jetzt hat er sich daran gemacht, einige Bücher jenes Mannes neu herauszubringen, der den Begriff »Graphic Novel« in den Siebzigerjahren - als Bezeichnung für eine längere, anspruchsvolle Erzählung in Comicform - überhaupt erst erdacht hat: Will Eisner. Der Comic, den Eisner als erstes mit diesem Terminus bedachte, heißt Ein Vertrag mit Gott. Zusammen mit den zwei anderen Eisner-Werken Lebenskraft und Dropsie Avenue bildet er titelgebend den ersten Band von Carlsens neuer »Will Eisner Bibliothek«.

Der Sammelband ist klug zusammengestellt. Sowohl in Ein Vetrag mit Gott als auch in Lebenskraft und Dropsie Avenue erzählt Eisner Geschichten aus dem jüdischen Mietshausmilieu im New York der Zwanziger- und Dreißigerjahre: Da bekommt ein Straßenmusiker die Chance, groß herauszukommen, ein junger Arzt kann sich nicht gegen seine Mutter behaupten und eine Frau, die im Urlaub nach einer guten Partie sucht, muss feststellen, dass in der Pension auf dem Land doch nur die gleichen Menschen wohnen wie daheim in der Stadt.

Jeder versucht, in der Welt glücklich zu werden, aber das Schicksal spielt manchmal nicht mit. Darauf laufen Eisners Erzählungen in der Regel hinaus. In seiner Mietshauswelt gibt es kein Recht auf ein Happy End, aber zumindest eine Chance. Das wird auch in Dropsie Avenue deutlich, das zu Eisners großartigsten Werken gehört. Der Autor erzählt darin die Geschichte einer Straße in der South Bronx, von ihrem Aufstieg bis zu ihrem Niedergang, der gleichzeitig einen neuen Anfang bedeutet.

Der Carlsen-Verlag hat dem Sammelband eine leichte Sepia-Tönung gegeben, so dass die Bilder den Eindruck vermitteln, sie stammten aus einem alten Fotoalbum. Das ist zwar recht passend, denn immerhin blickt man in Eisners Geschichten quasi durch die Vorhänge der Mietshausfenster auf das Privatleben der BewohnerInnen. Eisner selbst allerdings, dem großen Erneuerer des Comics und ewigen Modernisierer, hätte diese Aufmachung wohl eher nicht gefallen.