Schätze im Schutt

Kölner Studierende helfen dabei, wertvolle Dokumente aus dem eingestürzten Stadtarchiv zu retten. Von Hanna-Lisa Hauge

Viele Tonnen unersetzlicher Dokumente hat das eingestürzte Kölner Stadtarchiv unter sich begraben. Die Bergungsarbeiten laufen mittlerweile auf Hochtouren, organisiert von einer eigens eingerichteten Koordinationsstelle. Auch Studierende der Kölner Philosophischen Fakultät helfen bei der Suche nach wertvollen Handschriften und anderen Dokumenten in den Schuttbergen.

Bereits kurz nach dem Einsturz boten einige ProfessorInnen des Historischen Seminars ihre Hilfe zur Bergung der alten Schriften an und starteten einen entsprechenden Aufruf an die Studierenden ihres Fachs. Trotz Semesterferien meldeten sich allein im März fast 200 Studierende. In zwei Schichten pro Tag arbeiten die HelferInnen in Ganzkörper-Overalls in einer am Rande von Köln gelegenen Halle. Dort sortieren, reinigen und verpacken sie zusammen mit Archivangestellten und RestauratorInnen die geretteten Bestände.

Unter den verschütteten Dokumenten sind viele Stücke aus dem Mittelalter, die älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 922. Das Archiv enthielt unter anderem den Nachlass von Heinrich Böll und Handschriften von Albertus Magnus, Namensgeber des Platzes zwischen Uni-Hauptgebäude und Philosophikum. Auch die Gründungsurkunde der Universität Köln aus dem Jahr 1388 wurde unter den Trümmern begraben. Die Bergungsarbeiten werden voraussichtlich noch bis Mai andauern, die anschließenden Restaurationsarbeiten werden nach Einschätzung von Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia bis zu dreißig Jahre in Anspruch nehmen.

Die freiwilligen HelferInnen kennen sich mit historischen Dokumenten aus: Die meisten sind Geschichtsstudierende. "Das Archiv hat es gern, wenn Studenten kommen, die etwas von der Sache verstehen", sagt Marita Blattmann, Professorin für mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften, die die studentische Hilfe organisiert. "Besonders Geschichtsstudenten werden begrüßt, weil sie grundsätzlich wissen, wie man mit Quellen umgeht." Allerdings sind auch Studierende anderer Fachrichtungen wie Kunst, Germanistik und Archäologie beteiligt. "Wenn man das erste Mal da ist, bekommt man eine Einweisung, wie man mit den Büchern umgehen soll", berichtet die Bonner Kunstgeschichts- und Archäologiestudentin Irini Karamitrou. Die HelferInnen sollen die Bücher vorsichtig mit Bürsten säubern.

Die Rettungsarbeiten sind sehraufwändig. An einer ersten Station werden große Wannen mit hunderten Tonnen Material abgeliefert, das die Feuerwehr geborgen hat. Darunter sind Archivgut, Schutt und auch Privateigentum der BewohnerInnen aus den umliegenden eingestürzten Wohnhäusern. Private Habseligkeiten werden in einer gesonderten Abteilung gesammelt. Die Archivalien werden unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie trocken, feucht oder nass sind. "Nasse Materialien müssen in Folie eingeschlagen und dann in Münster weiterbehandelt werden", erklärt Blattmann. Im dortigen Stadtarchiv werden sie schockgefroren und in Kühlhäusern zwischengelagert. Auf diese Weise kann sich kein Schimmel bilden.

Das Historische Seminar hat nun in Zusammenarbeit mit dem Archiv 25 unbezahlte Praktikumsplätze für die Rettung des Archivmaterials eingerichtet, die Studierende historischer Fächer besetzen sollen. Die Praktika sollen, verteilt über mehrere Monate, insgesamt mindestens drei Wochen dauern. "Wie gut die Arbeiten vorangehen, hängt auch davon ab, wie viele gerade helfen", sagt Blattmann.