Spirou Spezial

Weltpolitik in Bildern Von Julia Groth

Spirou, Held des französischen Comiczeichners Rob-Vel, ist schon viel herumgekommen. Nach Bretzelburg, Rummelsdorf und sogar ins tropische Palumbien haben diverse Abenteuer ihn und seinen Freund Fantasio bereits geführt. In dem außerhalb des Serien-Geschehens stehenden Sonderband Spirou. Porträt eines Helden als junger Tor wird es nicht ganz so exotisch: Schauplatz ist das Brüssel des Jahres 1939. Statt mit Marsupilami und Zyklostrahlen wartet der Comic mit einer alternativen Vorgeschichte des deutschen Überfalls auf Polen auf - und macht Spirou als Charakter interessanter, als es die klassischen Abenteuer vermochten. Der junge Spirou arbeitet hier wie in der Anfangsphase der Comicreihe als Page im vornehmen Brüsseler Hotel Moustic. In seiner Naivität interessiert ihn nicht, dass das Haus politisch bedeutsame Gäste beherbergt: eine Delegation aus Polen und den Staatssekretär des deutschen Außenministers Joachim von Ribbentrop. Die polnischen Gesandten wollen mit dem Deutschen verhandeln, um einen Überfall auf ihr Land zu verhindern. Viel mehr interessieren Spirou aber ein Boxchampion und seine Frau, die ebenfalls im Moustic abgestiegen sind. Erst eine geheimnisvolle Kollegin schafft es, den Pagen darauf aufmerksam zu machen, was um ihn herum geschieht: Europa steht kurz vor einem Krieg, und der Startschuss dazu soll unter dem Dach des Moustic fallen. Das Szenario, das Gastautor und -zeichner Émile Bravo entwirft, ist durchaus denkbar. Und sein Spirou Spezial ist alles andere als eine trockene Geschichtsstunde: Intrigen, Liebe, Politik - und mittendrin der bekannte Hotelpage, der hier ganz anders auftreten darf als sonst. Während Spirou in den regulären Bänden oft den altklugen Alleskönner und in der Serie Der kleine Spirou die mäßig lustige Rotznase gibt, verleiht ihm Bravo die längst überfällige Tiefe. Mit leichtem Strich und einem guten Auge für Mimik entwirft Bravo das Bild eines einsamen und unterprivilegierten Jungen, der in den Sog der Weltpolitik gerät. Für Spirou-Fans ist dieser tragikomische Comic ein Muss. Und auch, wer bisher nichts mit seinen Abenteuern anfangen konnte, sollte diesem meisterhaft erzählten und gezeichneten Band eine Chance geben.