Russisch Brot ist hart

Die Bonner Slawistik schließt vielleicht, die Kölner soll umgebaut werden. Die Studierenden sind besorgt. Von Julia Groth

Um zu wissen, was Russland sei, müsse man erst einmal Dostojewski gelesen haben. Und Tolstoi. Und Lermontow, Leskow und Puschkin. Das empfahl Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) einmal in einem Interview, und er dürfte damit vielen Slawistik-Studierenden aus der Seele gesprochen haben. Zum Nachteil der Osteuropa-Studiengänge und ihrer Studierenden teilen nicht allzu viele Schmidts Ansicht - die Slawistik gehört hierzulande zu den kleinen Fächern, für die sich nur relativ wenige Studierende einschreiben. Viele Institute wurden bundesweit in den vergangenen Jahren geschlossen. Das könnte an ihren Unis auch passieren, fürchten Slawistik-Studierende aus Köln und Bonn.

Für die Bonner Slawistik sieht es derzeit besonders düster aus. Im Frühjahr dieses Jahres beschloss die Uni-Leitung, das Institut zu schließen. Die bis dahin eingeschriebenen Studierenden sollen noch bis Ende 2011 studieren dürfen, neue InteressentInnen aber an andere Hochschulen gehen, zum Beispiel nach Köln. Die Uni-Leitung will Geld sparen und dazu im Rahmen der Umstellung auf die Bachelor-Studiengänge vermeintlich unwichtige Fächer streichen. Hinzu kommt, dass der Ruf des Bonner Slawistik-Instituts beschädigt ist, seit der damalige Institutsleiter Wilfried Potthoff Anfang des Jahres die Arbeit einer Studentin als seine eigene ausgab (siehe philtrat Nr. 83).

Die Bonner Fachschaft Slawistik will die Schließung nicht hinnehmen und rief die Studierenden zum Protest auf. Mit vorläufigem Erfolg: Nach mehreren Protestaufmärschen bei Gremiensitzungen dürfen drei DozentInnen und drei Studierende jetzt einen Bachelor-Studiengang Osteuropa planen. »Wenn wir nichts getan hätten, wäre nichts passiert«, sagt Fachschafterin Jeanette Adametz. Ob der Bachelor-Studiengang aber tatsächlich starten darf, ist noch nicht sicher. »Wir haben noch keine feste Zusage«, bedauert Adametz. Auf lange Sicht ist sie pessimistisch, was die Lage des Fachs an deutschen Unis angeht. »Die Slawisten sterben langsam aus«, sagt sie.

Das befürchten offenbar auch die Slawistik-Studierenden an der Uni Köln. Slawistik-Interessierte können hier bisher zwischen einem Bachelor-Studiengang und Russisch auf Lehramt wählen. Der Magisterstudiengang Slawistik läuft wie alle Magisterstudiengänge in wenigen Jahren aus. Nur zwei Professuren gibt es für alle drei Studiengänge. Einer der beiden Inhaber ist aber seit diesem Semester emeritiert, seine Stelle ist bisher nicht neu besetzt. Sie ist noch nicht einmal neu ausgeschrieben. Die Fachschaft Slawistik ist von dieser Entwicklung überrascht und bangt nun um die Zukunft des Fachs. »Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Professur wiederbesetzt wird«, sagt Fachschafter Benjamin Naujoks. Viele Slawistik-Studierende fürchten, die Professur könnte dauerhaft mit einem Lehrauftrag vertreten werden. Lehrbeauftragte sind nicht fest angestellt, forschen nicht und bekommen weniger Gehalt als ProfessorInnen. Aus Protest hat die Fachschaft Unterschriften für eine rasche, sichere Wiederbesetzung gesammelt und sie der Dekanin der Philosophischen Fakultät, Christiane Bongartz, übergeben.

Bongartz versichert, die Slawistik bleibe auf jeden Fall bestehen. Auch die Professur werde möglichst wiederbesetzt. Entscheiden muss darüber allerdings Rektor Axel Freimuth. Wegen eines ausstehenden Gutachtens zur Lage der kleinen Fächer, so Bongartz, verzögere sich diese Entscheidung noch etwas. »Wir müssen sehen, wie wir das Fach modernisieren können«, sagt sie außerdem. Man könne die Slawistik möglicherweise stärker kulturwissenschaftlich ausrichten als bisher. Außerdem überlegt Bongartz, den Schwerpunkt nicht mehr so stark auf Russisch zu legen. Das wäre dann wohl wieder nicht im Sinne von Russland-Bewunderer Helmut Schmidt.