Etappensieg für hessische Studierende

Verhaltene Freude bei hessischen Studierenden. Die Studiengebühren sind vorläufig abgeschafft, aber die Gebührenfreiheit steht und fällt mit der politischen Richtung des Parlaments. Von Julia Groth

Bei den meisten Studierenden in Hessen herrscht derzeit gedämpfte Hochstimmung. Hochstimmung, weil der Landtag beschlossen hat, die allgemeinen Studiengebühren zum kommenden Wintersemester wieder abzuschaffen. Gedämpft, weil das hessische Verfassungsgericht, der Staatsgerichtshof, die Gebühren nicht als verfassungswidrig eingestuft hat. »Wir haben gemischte Gefühle«, sagt der Sprecher des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Gießen, Markus Gretschel. »Das Urteil des Staatsgerichtshofs trübt unsere Freude doch etwas.«

Mitte Juni haben die hessische SPD, Grüne und Linkspartei in einer Sondersitzung des Landtags sowohl die allgemeinen Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester als auch die Gebühren für so genannte Langzeitstudierende wieder abgeschafft. Nur zwei Semester konnte sich das von der CDU eingeführte Bezahlstudium in Hessen halten. Wegen eines Formfehlers hatte der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zunächst seine Unterschrift unter dem Anti-Gebühren-Gesetz verweigert. Er konnte jedoch damit den Beschluss der neuen Mehrheit im Landtag nicht verhindern, sondern nur für kurze Zeit aufschieben. Viele Studierende sehen die neue Gebührenfreiheit als indirekten Erfolg ihrer Proteste.

Die Proteste gegen Studiengebühren waren in Hessen besonders stark. Studierende besetzten in mehreren Städten, unter anderem Marburg und Frankfurt, Kreuzungen und blockierten Autobahnen. Mehrere ProtestlerInnen wurden deswegen zu Freiheitsstrafen auf Bewährung und zu Sozialstunden verurteilt. »Die Proteste waren die Wegbereiter dafür, dass die Gebühren abgeschafft wurden«, ist sich Gretschel sicher. Weil die Gebühren ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückten, konnten SPD, Grüne und Linkspartei sie als Wahlkampfthema nutzen.

Trotz kostenlosem Studium könnten Studierende in Hessen bald wieder auf die Straße gehen. Der erste Grund: Viele wollen die in den vergangenen zwei Semestern gezahlten tausend Euro erstattet bekommen und dafür notfalls vor Gericht ziehen. Der zweite Grund ist das Urteil des Staatsgerichtshofs. Mit sechs zu fünf Stimmen war die Entscheidung der RichterInnen, Studiengebühren für verfassungskonform zu erklären, ausgesprochen knapp. Mehr als 70000 BürgerInnen hatten geklagt und sich dabei auf den Artikel 59 der hessischen Landesverfassung berufen. Dort heißt es: »In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. (…) Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.«

In der Urteilsbegründung heißt es nun unter anderem, dass Darlehen auch weniger begüterten Studierenden das Studium gut genug ermöglichen könnten. »Die Urteilsbegründung ist ein einziger Hohn«, sagt Gretschel vom Gießener AStA. Ob die Studierenden dieses Urteil nicht auf sich sitzen lassen wollen und wieder demonstrieren, oder aber mit dem bereits errungenen Erfolg zufrieden sind, wird sich noch zeigen.

In anderen Bundesländern mit Studiengebühren hoffen viele Studierende unterdessen, dass Hessens Beispiel Schule machen wird. »Die Entwicklung in Hessen kann eine Initialzündung sein«, sagt der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) André Schnepper. »Das positive Denken ist zurückgekehrt.« Er beobachte derzeit, dass die Diskussionen über Studiengebühren und die Demonstrationen gegen sie bundesweit wieder zunehmen.