Zehn kleine Jägermeister…

Dafür und dagegen II: Jugendschutz - ja oder nein? Von Lars Strojny, Maximilian Waclawczyk

dafür

Lukas W. war ein 16-Jähriger, der seine eigenen Erfahrungen gemacht hat. Er wurde an jenem schicksalhaften Abend im Februar dieses Jahres von niemandem bevormundet. Er selbst entschied, wie viel er wo trinken wollte. Wäre alles gut gegangen, dann wäre er mit einem schlimmmen Kater am nächsten Morgen aufgewacht, hätte sich vielleicht gesagt, dass er so etwas nicht wieder machen würde, aber viel wahrscheinlicher wäre er am nächsten Abend wieder losgezogen, um seine eigenen Erfahrungen zu machen. Es ist aber nicht gut gegangen. Lukas W. starb nach 45 Gläsern Tequila. Er starb trotz Jugendschutz. Ein paar Zeilen in einem Gesetzesbuch konnten nicht verhindern, was geschehen ist. Aber hätte es mehr Menschen gegeben, die Wert darauf legten, dass manch Jugendlicher vor seiner eigenen Überheblichkeit beschützt werden muss, dann wäre Lukas aller Wahrscheinlichkeit nach noch am Leben.

Jugendschutz ist eine Frage der Reife. Aber wie legt man fest, ob ein Mensch reif ist oder nicht? Da der Staat nicht jeden Jugendlichen individuell prüfen kann, muss eine einheitliche Norm her und diese ist nun mal das Alter. Mit 16 ist man alt genug zum Bier trinken und rauchen, mit 18 alt genug zum Pornos gucken und GTA IV spielen. Es scheint willkürlich, aber eine Festlegung muss es geben und wenn wir nicht mehr erwarten können, dass ein Mensch mit 19 reifer ist als mit 15, dann läuft in unserer Gesellschaft grundsätzlich etwas falsch. Jugendschutz, das ist Schutz der Jugend. Primär sollte dies natürlich Aufgabe der Erziehungsberechtigten sein, doch wenn diese versagen oder Jugendliche außerhalb ihrer Reichweite sind, ist es Aufgabe des Staates Minderjährige zu schützen. Lukas W. wäre nicht damit geholfen gewesen, den Jugendschutz abzuschaffen. Er hätte nur ein paar Menschen gebraucht, die den Jugendschutz nicht für irrelevant oder überflüssig gehalten hätten.

Maximilian Waclawczyk

dagegen

Stolz auf etwas zu sein, für das man nichts kann, die Anwesenheit von Schamhaaren, die Familie aus der man stammt, das Land, dem man sich zugehörig fühlt, gilt gemeinhin als Charakterschwäche oder gar ernsthafte Störung. Umgekehrt werden Benachteiligungen aufgrund solcher Attribute in unserer Gesellschaft üblicherweise weder geduldet noch gutgeheißen. Alter ist ein solches Attribut: »Die Jugend ist ein schwaches Pflänzlein, das gehegt und gepflegt werden will«, könnte in der Präambel der Gesetze zum Schutze der Jugend stehen. Niemand sonst aber würde es akzeptieren, als schwach verhätschelt zu werden.

Ein guter Teil unserer Bevölkerung allerdings hat genau das hinzunehmen. Jugendliche können nicht selbst entscheiden, was gut für sie ist. Keine Lust zu begründen, warum der Junior um Mitternacht zu Hause sein soll? Jugendschutz. Keine Lust darüber zu streiten, ob die fünfzehnjährige Tochter zu jung ist, mit ihrem volljährigen Freund zu schlafen? »Den Kindern droht mit dem schwarzen Mann, den Älteren mit dem Jugendschutz.« Pragmatisch, praktisch, unwirksam: Die Tochter wird Sex, der Sohn unterwegs eine »Fahrradpanne« haben. Dass Verbote niemanden abhalten, zeigt die lange Geschichte des Drogenkonsums oder in jüngerer Zeit die Kriminalisierung ganzer Schulhöfe aufgrund illegaler Downloads. Ganz im Gegenteil hüllen Verbote ihren Gegenstand in eine Aura des Verruchten. Dass es mit der Dissidenz eines Besäufnisses nicht viel auf sich hat, zeigt ein ordentlicher Vollrausch weit einprägsamer als die andauernde Warnung vor ihm.

Nun sind Jugendliche weder besonders vernünftig noch übermäßig intelligent im Umgang mit Pornographie, Alkohol, Zigaretten, Gewaltfilmen oder -Spielen. Sie stehen ihren erwachsenen Vorbildern dabei aber in nichts nach. Trotzdem beantragt niemand massenweise Vormundschaftsverfahren für peinliche Volljährige, die sich komisch aufspielen.

Lars Strojny