Drum prüfe, ob sich ewig bindet

Dafür und dagegen: Jung vor Standesamt und Traualtar - ja oder nein? Von Julia Groth, Lars Strojny

dafür

Ich kenne tausend und ein Argument, warum man nicht heiraten sollte. Erst recht nicht vor der Vollendung des vierzigsten Lebensjahres, mindestens aber, solange man noch in die Kategorie attraktiv fällt. Heute können wir reisen wohin wir wollen, ernähren uns von Falafel, Burgern, Pasta, Borschtsch, Fish 'n' Chips und Sauerbraten, tragen Sneakers aus New York, Poloshirts aus Tokio, dazu Pariser Jeans (allesamt gefertigt in Indien, aber das ist ein anderes Thema), kurz, wir führen ein vorbildliches postmodernes Leben. Warum also käme jemand auf die debile Idee, sich entgegen der Freiheit, die man sonst genießt, in jungen Jahren zu binden, das Versprechen »bis dass der Tod uns scheidet« ernst zu meinen und gegen jede Vernunft und Scheidungsstatistik dem Partner zu versprechen, eben ein solcher zu bleiben?

Es gibt genau drei Gründe. Der erste, Steuern, ist einer Ökonomie geschuldet, die auch durch angestrengtes Wünschen nicht verschwinden will. Der zweite ist die furchtbar romantische Idee, dass meine Sneakers unter ihrem Mantel stehen könnten - für die nächsten sechzig Jahre oder auch länger. Die Schuhe mögen später mal Ledersohlen haben, die Größe des Mantels wird sich in den oberen Vierzigern bewegen, aber die Personen, die beides tragen, sollen gleich bleiben. Der dritte Grund ist das Bedürfnis nach Sicherheit und Endgültigkeit. Es gibt sicher coolere Sätze, aber was ist, ist schwer zu leugnen. In der Postmoderne heiratet man aus dem gleichen Grund, aus dem englische Landhaus-Sakkos inklusive weißem Einstecktuch mit Jeans kombiniert werden - weil es möglich ist.

Lars Strojny

dagegen

Heiraten scheint derzeit bei vielen jungen Leuten groß in Mode. Noch nicht mit der Uni fertig, der Freund studiert in einer anderen Stadt, aber damit auch ja alle sehen, dass man zusammen gehört, müssen Ring, Standesamtsurkunde und im schlimmsten Fall sogar ein gemeinsamer Nachname her. Die Rückkehr zur Spießigkeit.

Wer sich mit vierzig oder fünfzig Jahren dazu entscheidet, die Lebensgemeinschaft offiziell zu machen, ist zwar ebenfalls spießig, darf es aber auch sein. Gedanken über eine bessere Steuerklasse seien MitbürgerInnen fortgeschrittenen Alters zugestanden. Aber mit Anfang zwanzig? Junge, heiratswillige Paare schwärmen daneben oft von der Romantik des Heiratens. Das ist natürlich Unsinn. Romantik braucht weder Ring noch Hochzeitskleid. Und weiße Tauben, die vor der Kirche gen Himmel flattern, sind nicht romantisch, sondern abgedroschen.

Der Drang, sich mit staatlichem Segen möglichst früh zu binden, zeugt vor allem von einer tief greifenden Unsicherheit. In einer Welt, in der man vielleicht schon morgen für einen Job von Bayern nach Ostfriesland ziehen muss, wollen viele junge Menschen den Partner oder die Partnerin so fest wie möglich an ihre Seite gekettet wissen. Damit machen sie sich aber nicht nur zu SpießbürgerInnen erster Klasse, sondern zerstören auch alles Spontane an junger Liebe. Allzu große Sorgen muss man sich darüber aber trotzdem nicht machen: Spätestens mit Mitte Dreißig kommen Sinnkrise und Scheidung, und dann wird erstmal richtig wild durch die Gegend gevögelt.

Julia Groth