Hinter der Weißen Rose

Ein Hörbuch erklärt des geistige Umfeld der Widerstandsgruppe Von Verena Risse

Was kann man von einem Hörspiel erwarten, das den Titel Harter Geist und weiches Herz. Das intellektuelle Umfeld der Weißen Rose trägt und in einem Verlag für philosophische Hörbücher verlegt wird? Sehr viel, vor allem Ungekanntes und Ungeahntes. Denn die Autorin Barbara Ellermeier zeigt die Mitglieder der Weißen Rose nicht nur als HeldInnnen des Widerstandes oder MärtyrerInnen, die für die Freiheit gestorben sind. Vielmehr geht es ihr um deren philosophische, theologische und literarische Gedanken sowie die Begegnungen mit KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, welche die Münchener Studierenden prägten und den ideologischen Hintergrund für ihr Handeln bildeten. Somit handelt das Hörspiel nicht - wie der Titel zunächst suggeriert - nur vom intellektuellen Umfeld der Weißen Rose. Es schließt auch die Werke ein, die die Mitglieder privat lasen oder in Lesekreisen besprachen. Zu den DenkerInnen, mit denen sich die Mitglieder der Weißen Rose intensiv beschäftigten, gehören Augustinus, Thomas von Aquin, Sören Kierkegaard und Karl Jaspers. Es ist kein Zufall, dass die meisten der zitierten Autoren nicht nur in der Philosophie, sondern auch in der Theologie großen Einfluss ausübten. Schließlich war es ihr christlicher Glaube, der die Studierenden prägte und sie zunächst zurückschrecken ließ, sich zu positionieren und aktiv zu werden. Der Glaube aber zwang sie zum Denken und schließlich auch zum Handeln. Der theologische Einfluss kam darüber hinaus auch von Seiten einiger ihrer wichtigsten Mentoren. Zu diesen zählten der Philosophieprofessor Kurt Huber, der selbst zum engsten Kreis der Weißen Rose gehörte und das sechste und letzte Flugblatt verfasst hat, Carl Muth, Herausgeber der katholisch-kritischen Zeitschrift Hochland sowie der katholische Publizist Theodor Haecker, der regelmäßig im Rahmen der Lesekreise seine Werke vortrug. Wie Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst und Willi Graf philosophierten, diskutierten und letztendlich beschlossen, zu handeln, ihre Gedanken in Flugblättern zu formulieren und diese zu verteilen, schildert Ellermeier anhand von bisher unbekannten Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Büchern und ZeugInnenaussagen und lässt so die Weiße Rose und ihre ZeitgenossInnen selbst zu Wort kommen. Es wird deutlich, dass die Flugblätter nicht nur eine leichtfertig geplante Rebellion gegen die NationalsozialistInnen darstellen. Sie sind aus langen Überlegungen, wissenschaftlichen Recherchen, bisweilen quälenden Selbstbefragungen geborene, überaus fundierte Appelle, gegen das nationalsozialistische Verbrechen und für die politische Freiheit zu kämpfen. Vom ersten Track an zeigt das Hörbuch die hohe sprachliche Qualität, die wissenschaftliche Ausgereiftheit sowie die umfassenden politischen wie kulturellen Kenntnisse, die den Flugblättern zu Grunde liegen. Durch ihre Flugblätter hat sich die Weiße Rose entschieden, nicht den Weg einer inneren Emigration zu gehen, nicht abzuwarten, bis alles vorüber ist und sich bis dahin durch die regelmäßige Zufuhr geistiger Nahrung am Leben zu erhalten. Im Gegenteil, die kritische Auseinandersetzung mit moral- sowie politikphilosophischen Fragestellungen zwang sie, »in das Rad der Geschichte einzugreifen«, wie es Hans Scholl formulierte. Und so vermag das Porträt des intellektuellen Umfelds der Weißen Rose letztendlich an die Macht von Intellekt, Kultur und Geist zu erinnern - ein Potenzial, welches die NationalsozialistInnen sehr wohl erkannt und gefürchtet haben.