Ewig im Rampenlicht

Das Internet vergisst nichts. Ein Medienrechtler fordert deshalb, dass Daten automatisch gelöscht werden müssen. Von Julia Groth

Wenn Ghyslain Raza in zehn Jahren das Haus verlässt, kann es sein, dass immer noch Menschen auf ihn zeigen und lachen. Denn Raza, besser bekannt als das »Star Wars Kid«, genießt einen zweifelhaften und vor allem unfreiwilligen Ruhm. Im Jahr 2002 filmte sich der damals 14-jährige Kanadier dabei, wie er einen Golfballsammler schwang wie ein Lichtschwert aus den Star Wars-Filmen. Klassenkameraden fanden das Video und luden den Kurzfilm ohne Razas Wissen ins Internet, wo Millionen Menschen über den pummeligen Teenager lachten - und es gelegentlich immer noch tun. Denn was einmal frei zugänglich ins Internet gelangt ist, lässt sich nicht mehr zurück-, dafür aber meist beliebig oft und lange abrufen. Der Medienrechtler Viktor Mayer-Schönberger von der US-Universität Harvard fordert deshalb, dass künftig nur noch Daten ins Netz gestellt werden sollen, die nach einer bestimmten Frist automatisch gelöscht werden. »Ich sehe unsere Gesellschaft bedroht«, sagte Mayer-Schönberger gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Menschen seien so veranlagt, erklärte der Medienrechtler, dass sie die meisten aufgenommenen Informationen wieder vergäßen. So stufe man Neues automatisch wichtiger ein als Vergangenes. Das Internet habe diesen Prozess jedoch gestört, weil es relevante ebenso wie irrelevante Daten für jeden immer zur Verfügung stelle. »Das führt dazu, dass Google mehr über uns weiß als wir selbst«, sagte Mayer-Schönberger der dpa. Softwarehersteller sollten deshalb eine Art Daten-Verfallsdatum in ihre Produkte einbauen, das Nutzer nach Wunsch verlängern können. Besonders für Job-Suchende können sich längst vergessene Party-Fotos und Urlaubsvideos, die vor Jahren ins Internet gestellt wurden, schnell als Katastrophe erweisen. Meyer-Schöneberger nennt als Beispiel den Fall einer angehenden Lehrerin in den USA, der ihr Diplom verweigert wurde, als die Universitätsleitung im Internet ein Foto von ihr im Piratenkostüm mit einem Glas in der Hand entdeckte. Wenn SchülerInnen das Bild mit dem Titel »Betrunkener Pirat« fänden, könnten sie die Frau nicht mehr als Lehrerin und Vorbild respektieren, so die Begründung. Auch in Netzwerken wie dem StudiVZ stellen viele NutzerInnen persönliche, teils kompromittierende Daten und Bilder frei zur Verfügung. In einer Zeit, in der PersonalleiterInnen sich nicht immer mit dem Lebenslauf zufriedengeben, sondern BewerberInnen teils mit Suchmaschinen nachrecherchieren oder sogar gezielt in sozialen Netzwerken nach ihnen suchen, kann das zum Nachteil werden. Wer sich zum Beispiel bei einer Spedition als FahrerIn bewirbt, aber Mitglied der StudiVZ-Gruppe »Die Straßenverkehrsordnung behindert meinen Fahrstil« ist, hat so möglicherweise unabsichtlich seine Chancen auf eine Anstellung verbaut.