Ansturm auf den Gipfel

Studierende fahren zum G8-Gipfel, um zu protestieren. Über Motivation und Protestformen sind sie sich nicht einig. Von Kathrin Ohlmann

Etwa zwanzig Leute sitzen in einem Hörsaal der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Sie wollen Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm Anfang Juni besprechen. Die meisten Reihen sind an diesem sonnigen Maiabend unbesetzt. Zwei der VeranstalterInnen machen sich am Laptop zu schaffen, von dem aus sie den Film Die Proteste von Genua zeigen wollen. Einige andere bauen vor dem Hörsaal einen Tisch mit Informationsmaterial auf. Als Laptop und Beamer funktionieren, wird zuerst eine bunte Tabelle gezeigt: »Die Choreografie des Widerstandes«. Die Tabelle zeigt Aktionen und Veranstaltungen, die als Protest gegen den G8-Gipfel geplant sind. Für Dienstag, den 5. Juni, haben ProtestlerInnen die Blockade des Flughafens Rostock-Laage angesetzt. Während des G8-Treffens findet außerdem ein Gegengipfel statt, den die globalisierungskritische Bewegung Attac organisiert. Zu Beginn des Gipfels sind Massenblockaden der Zufahrtsstraßen nach Heiligendamm geplant. »Unser Bündnis heißt Geblockt, weil wir uns hauptsächlich auf die Blockade der Zufahrten konzentrieren«, sagt Boris Loheide von Attac. Die Regierungschefs selbst kämen zwar mit Hubschraubern, aber DolmetscherInnen oder Küchenpersonal könnten von den DemonstrantInnen aufgehalten werden. Das Bündnis Geblockt ist eine der Gruppen, die Studierende gegründet haben, um das Treffen der Regierungschefs der acht führenden Wirtschaftsnationen in Heiligendamm zu kritisieren. Sie wollen andere Studierende informieren und zu den Protesten mobilisieren. Neben Geblockt sind noch weitere Studierende an den Protesten beteiligt. Die Hochschulgruppe Alternative Liste (AL) ist Teil des Kölner Anti-G8-Bündnisses. »In diesem Bündnis sind verschiedene politische Gruppen Kölns organisiert. Wir arbeiten seit November 2005 an den Gipfel-Protesten und sind Teil der bundesweiten Dissent-Zusammenhänge, die aus Graswurzelorganisationen bis zu linksradikalen Gruppen bestehen«, sagt Dieter Asselhoven von der AL. Sie wollen den Weltwirtschaftsgipfel nicht wie Attac reformieren, sondern delegitimieren. Eine Zusammenarbeit zwischen Geblockt und dem Anti-G8-Bündnis gibt es nicht. »Da sind Spannungen auf der persönlichen Ebene«, sagt Loheide. »Das Anti-G8-Bündnis hat mit der Großdemonstration nichts zu tun, die haben einen anderen politischen Anspruch.« Er sei von ihnen auf einer Veranstaltung als »Reformist« beschimpft worden. »Unsere Kritik geht weiter als die von Attac, denn der Kapitalismus ist nicht reformierbar, sondern gehört abgeschafft«, sagt Tina Heinen, die sich im Kölner Anti-G8-Bündnis engagiert. Solange es Kapitalismus gebe, würden immer Menschen ausgebeutet. Attac will die Globalisierung und den Kapitalismus mit Vorschlägen wie der Tobin-Steuer menschenfreundlicher machen. Das könne nicht funktionieren, glaubt Heinen. In einem Punkt sind sich die Gruppen jedoch einig. »Das G8-Treffen halten wir für illegitim, es findet ohne demokratische Grundlage statt. Die acht wirtschaftsstärksten Staaten entscheiden über Politik ganzer Völker und Wirtschaftszonen und alle werden an die Entscheidung gebunden«, sagt Loheide. Laut Heinen wird in dem Treffen sichtbar, welche Macht der Kapitalismus ausübt. »Es sind acht Menschen, die über den Rest der Welt bestimmen.« Dem widerspricht Simon Brüggemann von der politischen Gruppe Measures Against Discouragement (MAD). »Die G8 sind nicht die Weltregierung, als die sie gezeichnet werden. Die letzten G8-Beschlüsse sind bei der Weltbank und Welthandelsorganisation gescheitert.« Er sieht die Dringlichkeit politischen Handelns eher auf anderen Ebenen: »Anstatt wie bekloppt zu so einem Highlight-Event zu mobilisieren, das danach wieder schnell verpufft ist, sollte sich die Linke lieber mit dem alltäglichen Verwertungsdruck im Kapitalismus beschäftigen.«