Abenteuer Lehramtsstudium

PolitikerInnen und ExpertInnen streiten sich über die LehrerInnenausbildung in NRW. Zur Debatte steht unter anderem die Abschaffung des Referendariats. Von Patrick Hopfe, Beate Schulz

Die Landesregierung NRW will das Lehramtsstudium gründlich reformieren. Zu dem Zweck wurde eigens eine Kommission unter Leitung von Jürgen Baumert, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, mit der Erarbeitung von Reformvorschlägen beauftragt. Bevor diese Ende April ihr Gutachten vorlegte, sorgte jedoch der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Helmut Stahl mit einem eigenen Konzept für reichlich Wirbel. Geht es nach Stahl, so soll künftig das Referendariat entfallen und die LehrerInnenausbildung ausschließlich an den Universitäten stattfinden. Der Nordrhein-Westfälische Lehrerverband (NRWL) erklärte dazu, er werde die »geradezu abenteuerlichen Überlegungen« Stahls nicht einfach so hinnehmen.

Die Baumert-Kommission schlägt in ihrem Gutachten vor, das bisherige Lehramtsstudium durch einen Bachelor/Master-Studiengang zu ersetzen. An das dreijährige, fachspezifische Bachelor-Studium schließt sich dann das zweijährige Masterstudium an, das ein halbes Jahr Praxis an einer Schule beinhaltet. Der »Master of Education« soll das erste Staatsexamen ersetzen. Künftig wäre dann nicht mehr das staatliche Prüfungsamt, sondern nur noch die Universität für den ersten Abschluss der angehenden LehrerInnen zuständig. Die MasterabsolventInnen müssten sich nach ihrem Abschluss dann auch selber bei den Schulen um einen Referendariatsplatz bewerben.

Außerdem sieht die Kommission in ihrem Gutachten einen eigenen Studiengang für GrundschullehrerInnen vor. Diese sollen sich nicht mehr mit einzelnen Fächern, sondern mit der sprachlichen und mathematischen Grundbildung der Kinder beschäftigen. Bisher ist der Studiengang Grundschullehramt in das Lehramtsstudium für Haupt-, Real- und Gesamtschulen eingegliedert. Nach den Plänen der Kommission soll es dann drei eigenständige Ausbildungsgänge für Lehramt an allgemein bildenden Schulen geben: für Grundschulen, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II.

Zusätzliche Praxisphasen halten Baumert und seine KollegInnen nicht für nötig, stattdessen müssten die bisherigen Praktika besser betreut werden. Dabei sollen die Lehrerbildungszentren an den Universitäten eine wesentliche Rolle spielen. Dort sollen Studienfächer und Fachdidaktik miteinander verknüpft werden, so dass PädagogInnen in spe eine bessere Vermittlungsfähigkeit erwerben. Die Zentren sollen unter anderem auch das Lehrangebot der reformierten Studiengänge planen und steuern.

Helmut Stahl hat aber noch weitere Pläne für die Lehrerbildungszentren. Während die Baumert-Kommission die Ausbildung in eine wissenschaftliche Phase an den Universitäten und eine praktische Phase im Referendariat unterteilt, will Stahl das Referendariat durch eine einjährige Berufseinstiegsphase ersetzen, in der die angehenden PädagogInnen acht bis zwölf Stunden pro Woche unterrichten sollen. Die Aufgaben der von der Bezirksregierung organisierten Studienseminare, die bisher ein Referendariat begleiten, würden dann die Lehrerbildungszentren übernehmen. Nach den Vorstellungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden sollen die Zentren zusätzlich noch der Weiterbildung dienen. Um auf dem aktuellsten Stand der Forschung zu bleiben, müssten neu eingestellte LehrerInnen in NRW künftig alle fünf Jahre an Fortbildungen in den Lehrerbildungszentren teilnehmen.

Außerdem soll laut Stahl die letzte Phase der LehrerInnenausbildung nicht wie bisher mit einer zweiten Examensarbeit abgeschlossen werden. Stattdessen gibt es nur eine Benotung der LehramtsanwärterInnen durch die zwei BetreuungslehrerInnen an den Schulen und einen hospitierenden Vertreter des Schulministeriums.

Der Präsident des NRWL Peter Silbernagel nennt Stahls Reformvorschläge »unpraktikabel, unseriös und unverantwortlich«. So könnte zum Beispiel die Abschaffung der Studienseminare »zu einem deutlichen Qualitätsverlust« führen. Der Status Quo mit den Studienseminaren ist ein Modell, das in den übrigen europäischen Ländern ein hohes Ansehen hat.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Ute Schäfer, kritisiert die deutliche Differenz zwischen den Vorschlägen von Stahl und denen der ExpertInnenkommission. «Die Empfehlungen der Kommission werden konterkariert durch das Vorgehen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Stahl. Sein bildungspolitisch unabgestimmter Alleingang zeigt, dass er an den Ergebnissen der Kommission kein Interesse hat«, so Schäfer in einer Pressemitteilung. Sie sei gespannt, wie dieser Streit in einem zentralen Punkt der Reform der LehrerInnenausbildung ausgehe.

Bis Ende des Sommers sollen das für die Universitäten zuständige Wissenschaftsministerium und das Schulministerium ein Konzept aus den Vorschlägen erarbeiten. Denn bis spätestens zum Wintersemester 2008/09 werden die neuen Lehramtsstudiengänge eingeführt.