ProfessorInnen von Gottes Gnaden

Wenn Lehrstühle an Universitäten besetzt werden, hat manchmal die katholische Kirche das letzte Wort bei der Entscheidung. Studierende wissen davon meist nichts. Von Carolin Wedekind

Eigentlich wollte Daniel Gotthardt nach dem Abitur in Augsburg Philosophie und Physik studieren. Dann erfuhr er durch einen Artikel in der Münchner Philosophiezeitschrift Widerspruch vom Einfluss der katholischen Kirche auf bayerische Philosophie-Institute durch so genannte Konkordatslehrstühle. Inzwischen hat sich Gotthardt, der Mitglied im Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten ist, entschieden, in Mainz zu studieren. »Aber auch dort gibt es einen Konkordatslehrstuhl für Philosophie«, sagt er. Die Studierenden wissen davon meist nichts. Konkordatslehrstühle sind Lehrstühle außerhalb der Theologie, bei denen die Kirche Einfluss auf die Besetzung hat. Studierenden, die sich für ein Philosophiestudium und nicht für ein Theologiestudium entschieden haben, würden somit katholische Lehrmeinungen vermittelt, sagt Gotthardt. »Die Veranstaltungen der Lehrstuhlinhaber stehen ohne Hinweis im Vorlesungsverzeichnis. In Bayern haben Verteter des bayerischen Senats und des Erzbischöflichen Ordinariats sogar vor Gericht gesagt, dass Konkordatslehrstühle im Vorlesungsverzeichnis nicht gekennzeichnet werden.« In Bayern sind Konkordatslehrstühle auch am weitesten verbreitet. Insgesamt 21 machte der Philosoph Konrad Lotter für seinen 2007 erschienenen Artikel in Widerspruch ausfindig. Es gibt sie meist in Philosophie, Pädagogik, Soziologie und Politikwissenschaft. Eine Anfrage an den Landtag 1997 ergab, dass in Bayern bei fast 23 Prozent der Pädagogiklehrstühle die Konfession der BewerberInnen Einfluss auf die Berufung hatte, in der Politikwissenschaft bei einem Viertel, in der Soziologie bei einem Drittel. In der Philosophie war dies sogar bei fast 37 Prozent der Lehrstühle der Fall. Die rechtliche Grundlage dafür sind Konkordate. Das sind Verträge zwischen Staat oder Bundesland und einer Religionsgemeinschaft. Sie geben der katholischen Kirche das Recht, bei der Berufung von ProfessorInnen »Erinnerung« einzulegen, also Einwände zu äußern. »Das ist eigentlich verfassungswidrig«, sagt Gotthardt. Dass die Konfession eine Rolle bei der Besetzung von Lehrstühlen spielt, verstoße gegen Artikel drei des Grundgesetzes, nach dem niemand wegen seines Glaubens bevorzugt oder benachteiligt werden dürfe. An der Uni Köln, an der es keine Konkordatslehrstühle gibt, ist inzwischen die Hochschulgruppe »Die Laizisten« in Planung. Ihre künftigen Mitglieder wollen sich gegen Religionsprivilegien engagieren. »Wir wollen unter anderem, dass die christliche Theologie wissenschaftsfähig wird, wie es beispielsweise bei Judaistik der Fall ist«, sagt Soziologiestudent und Mitgründer Stefan Müller. Aber auch über die Uni hinaus will er informieren. »Religiöse Privilegien sind in ganz vielen Bereichen vorhanden. Wir wollen eine Anlaufstelle für Leute sein, die sich darüber informieren möchten.« Die Trennung zwischen Staat und Kirche sei nie konsequent vollzogen worden, kritisiert auch der Kölner Student Lenz Lösche, der ebenfalls an der Gründung der Laizisten beteiligt ist. Als Lehramtstudent steht er vor dem Problem, dass in Nordrhein-Westfalen nur Privatschulen wirklich religionsfrei sein können. »Vornehmstes Ziel der Erziehung« ist laut Verfassung des Landes »Ehrfurcht vor Gott« zu wecken.