Spitzel in der Vorlesung

In Bayern fordert der Verfassungsschutz Universitäten dazu auf, verdächtige Studierende zu melden. Die Universität Köln sieht keinen Handlungsbedarf, weil sie keine technischen Fächern anbietet. Von Julia Groth

Wegen der Terrordrohung, die Islamisten Anfang März per Video gegen Deutschland ausgesprochen haben, ergriff die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) eine drastische Maßnahme. Sie forderte ihre MitarbeiterInnen in einer E-Mail dazu auf, verdächtige Studierende zu melden. Verdächtig ist in diesem Fall jeder, dessen Verhalten auf eine islamisch-fundamentalistische Haltung hinweist.

Die Anregung zu dieser Mail bekam die LMU vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Dieses forderte die Universitätsverwaltung zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber den Studierenden auf. »Wir haben an den Universitäten die Situation, dass wir Studenten aus Problemstaaten haben, die hier interessantes Know-how lernen können«, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums der Financial Times Deutschland. Die Forderung, muslimische Studierende stärker zu überwachen, kam bereits Ende vergangenen Jahres vom brandenburgischen CDU-Generalsekretär Sven Petke. Er verlangte, strenger zu kontrollieren, wer in Deutschland studieren dürfe. Daraufhin protestierten zahlreiche islamische Verbände, die Muslime kriminalisiert sahen und eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Terrorismus forderten. Der Rektor der LMU, Bernd Huber, hat sich nach Protesten von Studierenden und Kritik von PolitikerInnen wie der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth von der Mail distanziert. Der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) und der Freie Zusammenschluss von Studierendenschaften (fzs) kritisierten das Vorgehen des Verfassungsschutzes und der LMU scharf. »Diese Forderungen nach einer weitgehenden Bespitzelung internationaler Studierender ist verantwortungslos, fordert zu anti-islamischen Einstellungen auf, sie zeugt weiterhin von Naivität und Ignoranz«, sagt BAS-Sprecher Martin Menacher. Die beiden Studierendenverbände fordern, mehr Geld für die Integration ausländischer Studierender bereitzustellen. Derzeit erwägt der fzs ein juristisches Vorgehen gegen den bayerischen Verfassungsschutz. An der Universität Köln gab es bisher nach Wissen des Uni-Sprechers Patrick Honecker keine derartige Anfrage des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Die Gefahr durch potenzielle TerroristInnen sei in Köln ohnehin nicht besonders groß, da keine technischen Fächer angeboten würden. Die jüngsten Attentäter, beispielsweise die so genannten Kofferbomber, die einen Anschlag auf einen deutschen Regionalexpress geplant hatten, studierten Fächer mit technischer Ausrichtung. »Da sollte man vielleicht eher an der RWTH Aachen nachfragen«, sagt Honecker. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen ist eine der größten Universitäten für technische Studiengänge in Deutschland.