Anke: Neustart im Kinderzimmer

Von Sascha Hirth

Gärtner ist dreißig und zieht wieder bei seinen Eltern ein. Mehr braucht es eigentlich nicht, um eine Vorstellung von der qualvollen Situation des Protagonisten in Linus Volkmanns neuem Roman Anke zu bekommen. Doch der Autor wühlt fast schon lustvoll in den schmerzhaften Details. Die Rückkehr in die verhasste Provinz, das Wiedersehen alter und fast schon vergessener Freunde, das verständnislose Handeln der überforderten Eltern - alles wird zur Tortur und zum Protokoll eines gescheiterten Lebensentwurfs. Dann trifft Gärtner auf einer Party ausgerechnet die Exfreundin wieder, die er sitzen ließ, als er seine Grafikdesignausbildung abbrach und nach Hamburg ging. Sie ist ebenjene Anke, der Volkmann in Annie Hall-Manier sowohl Titel als auch heimliche Hauptrolle seiner Geschichte schenkt. Bald landen Gärtner und Anke auf dem Männerklo und versuchen kurz darauf einen Neubeginn ihrer Beziehung. Er zieht bei ihr ein und versucht sich halbherzig als Hausmann und Ich-AG. Die anfängliche Euphorie verfliegt jedoch schnell. Auch Ankes solide Karriere als Kulturredakteurin eines Lifestyle-Magazins gerät in ernsthafte Gefahr durch dieselben Mechanismen, die schon Gärtners Höhenflug abrupt beendeten. Am Ende stehen sie vor den Trümmern ihrer Lebensplanung. Volkmann beschreibt ohne Pathos oder Zynismus, wie es ist, weiterzumachen, wenn alles verloren scheint. Gärtner muss erkennen, dass ihn ein paar Jahre Flucht in die urbane Karriere nicht von seiner kleinstädtischen Herkunft lösen konnten. Der Umgang mit den Eltern funktioniert nach denselben Verhaltensmustern und ungeschriebenen Gesetzen wie zu Kindertagen und selbst die alten Bekannten sind ihm nach einem kurzen Schock weniger fremd und unähnlich, als er es sich selbst gerne eingestehen möchte. Auch Ankes auf Schutz und Sicherheit ausgelegte Lebensplanung ist letztendlich nur eine Illusion, da Glück, Pech und Zufall in entscheidenden Situationen oft genug das letzte Wort haben. Durch den schnörkellosen und unterhaltsamen Schreibstil sollte es Intro-Redakteur Volkmann gelingen, mit diesem Roman auch Leute anzusprechen, denen seine bisherigen Veröffentlichungen zu eigenwillig waren. Anke ist eine kurzweilige Dokumentation zweier Leben, die ins Straucheln geraten sind.