Die Revolte der chilenischen Pinguine

SchülerInnen in Chile kämpfen für ein besseres Bildungssystem Von Lars Strojny

Über einen Monat lang waren Chiles SchülerInnen im Streik. Unterstützt von Eltern, StudentInnen und Gewerkschaften forderten sie eine radikale Reform des Bildungssystems, das noch aus der Zeit der Diktatur Pinochets stammt.

Begonnen hatte der Ausstand Mitte Mai mit einer Nichtigkeit. Die Jugendlichen forderten die Abschaffung der Aufnahmegebühr für Universitäten und Freifahrten für SchülerInnen im öffentlichen Nahverkehr. Die frisch gewählte sozialistische Regierung unter Präsidentin Michelle Bachelet ignorierte die Proteste zunächst, bezeichnete sie dann als überflüssig und provozierte damit eine Generaldebatte über das chilenische Bildungssystem. Dieses besteht aus kostenpflichtigen Privatschulen und einem maroden öffentlichen Zweig, der von der Haushaltslage der jeweiligen Kommunen abhängig ist.

Die Proteste begannen mit der Besetzung einiger Schulen in Santiago de Chile. Unter dem Banner des Pinguins demonstrierten die SchülerInnen gegen ein Schulsystem, das Reiche bevorteilt und Kindern aus ärmeren Familien die Bildungschancen nimmt. Ihre Argumentation: das Land sei reich an Bodenschätzen und müsse ihnen deshalb eine gute Ausbildung garantieren. Nicht nur SchülerInnen öffentlich finanzierter Schulen, sondern auch PrivatschülerInnen nahmen an den Ausständen teil. Bei den ersten Massendemonstrationen mit jeweils knapp einer Million TeilnehmerInnen, zu denen die SchülerInnenorganisation ACES landesweit aufgerufen hatte, kam es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den chilenischen Ordnungskräften. Diese gingen brutal gegen die jugendlichen DemonstrantInnen vor und machten dabei auch vor JournalistInnen nicht halt. Sie setzten Tränengas und Schlagstöcke ein, zweimal wurden mehr als 700 DemonstrantInnen festgenommen. Kurzzeitig besetzten die Aufständischen die Vertretung der Unesco und forderten die Organisation auf, sich zum Anliegen der SchülerInnen zu bekennen und ihren Protest zu unterstützen.

Am 10. Juni teilte der Sprecher der SchülerInnenbewegung, Juan Carlos Herrera, mit, man werde in die Klassen zurückkehren und sich am neu geschaffenen Bildungsrat beteiligen. Das Gremium hatte Bachelet als Zugeständnis ins Leben gerufen und den SchülerInnen sechs Sitze darin versprochen. Der Rat besteht aus 73 Mitgliedern und soll innerhalb von drei Monaten eine Bildungsreform ausarbeiten.