»Wir hatten nicht darüber zu entscheiden, ob Studiengebühren politisch vernünftig sind. Wir hatten nur zu entscheiden, ob der Bund zu dem Verbot befugt war, und die Antwort lautet nein.« So kommentierte der Vorsitzende Richter Winfried Hassemer das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes verstoße gegen die Verfassung. Das Gericht argumentierte, der Bund greife mit dem darin festgelegten Verbot allgemeiner Studiengebühren in die Kompetenzen der Länder ein.
Seit Verkündung des Urteils am 26. Januar 2005 wird unermüdlich protestiert. »Ein Studium, das Menschen, die nicht Kinder reicher Eltern sind, verschlossen bleibt oder nur um den Preis von Schulden zugänglich ist, will niemand«, meint Ernest Hammerschmidt, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS). Am 3. Februar fanden in Mannheim, Hamburg, Essen, Leipzig und Berlin Demonstrationen statt, an denen mehr als 25000 StudentInnen teilnahmen. In München gingen am 17. März StudentInnen zusammen mit SchülerInnen auf die Straße. Die Vollversammlung des ABS in Düsseldorf beschloss am 28. Januar zudem bundesweite Demonstrationen für den 1. Mai. An diesen wollen sich auch die Verfassten StudentInnenschaften beteiligen, deren Existenz durch die Aufhebung der 6. Novelle ebenfalls gefährdet ist.
Dank der Entscheidung des Verfassungsgerichts steht nun der Erhebung von allgemeinen Studiengebühren nichts mehr im Weg. Vor allem diverse unionsgeführte Länder schmieden trotz der Proteste Pläne zur Erhebung von Gebühren. Dass es dabei bei den derzeit diskutierten 500 Euro bleibt, hält Sascha Vogt, ebenfalls Geschäftsführer des ABS, für unwahrscheinlich. Schon vor einem Jahr hätten Wirtschaftsverbände über Summen bis zu 2500 Euro gesprochen. »Die 500 Euro sind und bleiben eine Einstiegsgröße«, betont Vogt.
Jene Länder, die keine Gebühren erheben wollen, befürchten derweil einen Sturm von Studierwilligen. Zwar planen Rheinland-Pfalz und Bremen, sich durch Gebühren für zugezogene StudentInnen zu schützen, doch das ist verfassungsrechtlich umstritten. Die KultusministerInnen konnten bislang keine Einigung erzielen. Um den fairen Wettbewerb zu gewährleisten, fordert Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine bundesweite Regelung. Wenn das durchgesetzt werden sollte, würden über kurz oder lang überall Gebühren erhoben werden. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) nimmt mit Verweis auf das Urteil von einer bundesweiten Regelung Abstand. »Das Bundesverfassungsgericht hat ganz klar gesagt, dass der Bund in der Frage der Studiengebühren gegenwärtig keine Regelungen treffen darf. Erst wenn sich die Situation ziemlich katastrophal entwickelt hat, also wenn sozusagen das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann darf der Bund wieder regeln.« Soweit wollen es ABS und fzs aber erst gar nicht kommen lassen: »Wir sind auf alle möglichen Szenarien vorbereitet, dies beinhaltet eindeutig auch bundesweit koordinierte Proteste von erheblichem Ausmaß an allen Hochschulen.«