Steen Meyer (22) studiert im fünften Semester Regionalwissenschaften Lateinamerika an der Universität Köln. Im Wintersemester 2002/2003 war er mehrere Monate in Chile, Brasilien und Argentinien. Für die philtrat sprach Volker Elste mit ihm über den Film, den er in dieser Zeit über die Situation in Argentinien gedreht hat.
Warum warst Du in Südamerika? Aufgrund Deines Studiums?
Nein. Ich habe durch meine Familie und durch Freunde viele Kontakte nach Lateinamerika. Es war für mich von Anfang an klar, dass ich nicht nach Lateinamerika gehe, um ein Auslandssemester zu absolvieren. Es ging darum, dort politisch zu arbeiten: Über den Neoliberalismus, seine Auswirkungen auf die Gesellschaft und die sozialen Bewegungen in diesen Ländern.
Wie kam es zu der Idee, einen Film über die sozialen Bewegungen in Argentinien zu machen?
Es war eine spontane Idee. Eigentlich wollte ich von Chile aus nach Mexiko gehen, um dort mit den Zapatistas in Chiapas zusammenzuarbeiten. Auf dem Weg zum Weltsozialforum in Brasilien war ich auf Zwischenstation in Buenos Aires. Ich habe dort sehr schnell sehr viel über die soziale Bewegung mitbekommen und mich entschieden, nach dem Weltsozialforum wieder nach Argentinien zu gehen.
Den Film hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplant. Ich war nach dem Weltsozialforum zunächst in einigen besetzten Fabriken und auf so genannten Nachbarschaftstreffen, den Asambleas Populares. Nachdem ich zwanzig bis dreißig Seiten darüber geschrieben hatte, wurde mir klar, dass ich mit dem Medium Film mehr und andere Leute würde erreichen können.
Wie würdest Du den Film beschreiben?
Er handelt von den drei zentralen sozialen Bewegungen in Argentinien: Die Piqueteros, also die Arbeitslosenbewegung, die Asambleas Populares, die eher der Mittelklasse zuzurechnen sind und die ArbeiterInnen in den besetzten Fabriken. Der Film soll nicht nur zeigen, dass es diese Bewegungen gibt, sondern auch wie sie arbeiten. Im Vordergrund stehen die Prinzipien Basisdemokratie, Horizontalität und Selbstbestimmung.
Der Film wurde, als er vor einigen Wochen in Köln gezeigt wurde, aber auch kritisiert. Er gehe zu wenig auf die Probleme und »Fehler« der sozialen Bewegung in Argentinien ein.
Es geht viel um Gefühle. Es gibt vor allem viele dogmatische Linke, die zwar die soziale Bewegung in Argentinien gut finden, zugleich aber auf fehlende Veränderungen hinweisen. Gerade die Wahl eines Peronisten zum argentinischen Präsidenten habe gezeigt, dass alles nichts bringe.
Ich glaube, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Durch die neuen Ansätze und Prinzipien werden andere Leitsätze und eine neue Herangehensweise an Politik und Revolution gesetzt. Der Anspruch in Argentinien ist, zunächst an der Basis zusammenzuarbeiten und Veränderungen als einen langen und historischen Prozess zu verstehen. Das ist kein rein argentinischer Ansatz, sondern ich denke, dass sich gerade weltweit eine neue politische Generation formiert die sehr »antidogmatisch« ist und mit den Prinzipien Basisdemokratie, Selbstbestimmung und Horizontalität sowie den Ansprüchen Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität eine andere Welt konstruieren will. Das braucht Zeit