Ouvertüre

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Vielleicht haben Sie sich, verehrte Leserinnen und Leser, ein wenig gewundert, wo Ihre Leib- und Magenzeitung so lange bleibt. Und sicherlich haben Sie schon bitterlich auf die neue Ausgabe gewartet. Wir bedauern die Verspätung, haben aber im Gegenzug einige Verbesserungen zu bieten: Durch ein von Grund auf verändertes Redaktionsmanagement.

Alles begann, als unser allseits geschätzter Alterspräsident eines Tages mit wehenden Schößen in unsere Redaktionsräumlichkeiten stürmte, uns mit einem energischen »Kinners! Zu mir!« herbeirief und einen Stapel Bücher auf den Tisch knallte. »Kinners!«, fuhr die unangefochtene Autorität dieses Magazins in unverminderter Lautstärke fort, »Kinners! So kann das hier nich' weiter gehn!« Dramatische Kunstpause, wir schauen erwartungsvoll. Der Alterpräsident klopft auf den vor ihm liegenden Bücherstapel, beugt sich leicht nach vorne und hebt den Finger. »Wir brauchen Management!«

Erschöpft lässt sich unser spiritus rector auf seinen Stuhl zurückfallen und beginnt, sich eine Pfeife zu stopfen. »Management?«, echot das Redaktionsküken, begleitet vom fragenden Gemurmel der restlichen Crew. Das Redaktionsfaktotum leckt seine Schrunden. »Genau das« kommt die trockene Antwort und die bekannte Galionsfigur des kritischen Journalismus hebt zu einem zweistündigen Vortrag an, dabei ab und zu eines der Bücher hochhebend und schwenkend. »Ressourcenmanagement!« tönt es, und vor unseren Gesichtern tanzt der Titel »Erfolgreich wirtschaften mit begrenzten Mitteln«. »Produktivität!« schallt es, während wir uns vor »Mehr Erfolg mit weniger Einsatz« wegducken müssen. »Teamfähigkeit!« ruft der liebenswerte Patriarch ekstatisch aus und lässt seine Hand auf »Drei sind mehr als drei. Teams erfolgreich einsetzen« donnern.

Geschätzte Leserinnen und Leser, bestaunen Sie die erste nach streng wissenschaftlichen Kriterien erstellte Ausgabe Ihrer Lieblingslektüre. Das Redaktionsküken ist nun Teamleiterin Feuilleton, der Praktikant Ressourcenmanager Verbrauchsmaterialien und selbst das Faktotum darf sich mit dem Titel Forschungsleiter Bruchsicherheit schmücken. Schade nur, dass jetzt keine einfachen Redaktionsmitglieder zum Anleiten und Managen mehr da sind. Aber das wird schon noch. Hätten Sie nicht Lust, bei uns eine Karriere zu beginnen?

Die Redaktion