»Exmatrikulationswelle«

Ab Studienbeginn soll in Hamburg gezahlt werden - wenn der Wohnsitz nicht in der Stadt liegt. Auch Zwangsexmatrikulationen sind möglich. Von Sabine Fischer

»Wir wollen natürlich möglichst wenig Langzeitstudenten haben. Das ist auch kein Qualitätsmerkmal für eine Hochschule«, betont Sabine Neumann, Sprecherin der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung. Das Ende Mai von der Bürgerschaft der Hansestadt gebilligte Hochschulmodernisierungsgesetz soll diesen Makel nun tilgen.

Es sieht die Zahlung von fünfhundert Euro pro Semester für StudentInnen vor, die ihre Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschritten haben, sowie für diejenigen, die nicht mit erstem Wohnsitz in der »Metropolregion« Hamburg gemeldet sind. »Wir gehen davon aus, dass mit der Einführung der Langzeitstudiengebühren eine erste Welle von Exmatrikulationen auf uns zukommt«, kommentiert Neumann den Effekt der ab Sommersemester 2004 erstmals fälligen Gebühren.

Das Gesetz beinhaltet darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Reduktion der StudentInnenzahl, etwa durch Zwangsexmatrikulation, die nach Überschreitung der doppelten Regelstudienzeit möglich sein wird, aber auch bei einem »schweren schuldhaften Verhalten« gegenüber der Hochschule - nach Meinung des AStA der Universität Hamburg »eine schwammige Formulierung, die den Nährboden für regelrechte Zensur studentischer Meinungsäußerung und Publikationen bieten könnte.«

Kritik erregt auch die Einführung der Gebührenpflicht ab dem ersten Semester, wenn nicht Hamburg als Erstwohnsitz gewählt wird. Die Stadt erhofft sich von dem daraus zu erwartenden Anstieg der Neuanmeldungen zusätzliche Gelder aus dem Länderfinanzausgleich, wobei unklar ist, ob diese auch den Hochschulen zufließen sollen. Entgegen dem erklärten Ziel, die »Internationalisierung der Hamburger Hochschulen« zu fördern, wären aber vor allem ausländische StudentInnen von dieser Bestimmung betroffen: »Es ist für uns einfach viel schwerer, weil wir die Sprache am Anfang noch nicht so gut sprechen«, argumentiert Klajd Karameta vom AusländerInnenreferat. Der AStA fordert zumindest für diese StudentInnengruppe eine Härtefallregelung. Er will zudem prüfen, ob mit dem Gesetz ein Verstoß gegen das Hochschulrahmengesetz (HRG) vorliegt. Dieses sieht seit der letzten Novelle zumindest die Gebührenfreiheit des Erststudiums vor.

Daher wundert es nicht, dass die Stadt Hamburg die HRG-Novelle als verfassungswidrig erachtet. Zusammen mit fünf weiteren Bundesländern hat sie nun eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Hatte der Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) noch im März seine Pläne für ein bundesweites, auf die Gewährung von Darlehen basierendes Gebührenmodell erörtert, das an die Stelle des BAföG-Systems treten sollte, schließt er sich nun der Argumentation der Klageschrift an und betrachtet die derzeitige Regelung als »unzulässigen und unnötigen Eingriff in die Rechte der Länder«. Auch die verpflichtende Einrichtung der Verfassten StudentInnenschaften wird als zentralistische Einmischung in die Länderkompetenzen angesehen und in der Klage aufgeführt.

Hingegen sehen VertreterInnen des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) die Bundesregierung in der Pflicht, für einheitliche soziale Rahmenbedingungen im Bildungsbereich zu sorgen. Dies schließe unter anderem ein bundesweites generelles Studiengebührenverbot mit ein. Die jetzige Regelung sei dagegen schon durch die Möglichkeit von Verwaltungs- oder Langzeitgebühren »löchrig wie ein Schweizer Käse«, so die Geschäftsführung des ABS in einer Presseerklärung. Durch das Vorgehen einiger Bundesländer gegen die HRG-Novelle werde zudem deren Motivation überdeutlich, mittelfristig generell Studiengebühren schon ab dem ersten Semester einzuführen.

Die Verlagerung der Gebührendebatte auf Studienkonten bzw. Bildungsgutscheine oder nachlaufende Studiengebühren seien als Versuche zu werten, Studiengebühren politisch leichter durchsetzbar zu machen, schätzt das ABS die aktuelle Taktik der GebührenbefürworterInnen ein.